Pfeil: Sprung zur allgemeinen Startseite Pfeil: Sprung zu den deutschen Seiten Pfeil: Sprung zur nächsthöheren Ebene

Bild: Sonderaktion ein/aus

Datenschutz

Übersetzungen aus dem Ungarischen

Sándor Petőfi, Nationallied

Wer sind wir? Kontakte Zusammenarbeit Lageplan
Übersetzungen < Themenkreise < Willkommen

Nachdem ich bei der Beschäftigung mit Sándor Petőfis Statue in Budapest immer wieder auf dessen Nationallied aufmerksam wurde, wollte ich den Text kennen lernen. Den ungarischen Originaltext fand ich dann auch gleich in den Internet-Seiten der Soproner Schulen (doch die betr. Seite existiert heute nicht mehr, so dass man heute am besten zur englischen Wikipedia greift, die auch gleich eine englische Übersetzung mitliefert.

Bald darauf fand ich eine deutsche Nachdichtung in der Ungarischen Elektronischen Bibliothek (Magyar Elektronikus Könyvtár). Da die dort angebotene deutsche Nachdichtung von Martin Remané recht frei mit dem Text umgeht, erstellte ich mir für den Eigenbedarf eine eng am Text bleibende Rohübersetzung, um einen Eindruck davon zu gewinnen, was Sándor Petőfi inhaltlich original geschrieben hat. Und da ich nicht gern nur für mich selbst arbeite, habe ich diese Rohübersetzung hier ins Netz gestellt.

Irren ist menschlich, daher werden Verbesserungsvorschläge jederzeit gern entgegen genommen. Alle konstruktiven Vorschläge werden dann in unseren Anmerkungen diskutiert.

Das Nationallied ist trotz seines Namens nicht die heutige ungarische Nationalhymne. Diese finden Sie in der deutschen Wikipedia unter Himnusz.

Zu Leben und Werk des Dichters sowie zu seinem Standbild in Pest siehe die betr. Seite in den Budapester Inschriften.

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Nationallied ( 1 )

Erhebe dich, Ungar, die Heimat ruft! ( 2 )

Die Zeit ist gekommen, jetzt oder nie! ( 3 )

Sollen wir Häftlinge sein oder Freie? ( 4 )

Das ist die Frage, entscheidet!

Beim Gott der Ungarn

Schwören wir, schwören wir, dass wir nicht weiterhin

Häftlinge sein werden! ( 5 )

Häftlinge waren wir bis vor Kurzem, ( 5 )

Verdammte sind unsere Vorväter, ( 6 )

Sie, die frei lebten und starben,

Können in Knechteserde keine Ruhe finden.

Beim Gott der Ungarn

Schwören wir, schwören wir, dass wir nicht weiterhin

Häftlinge sein werden!

Es darf keinen Schurken geben, ( 7 )

Der jetzt, wenn er muss, nicht zu sterben wagt,

Dem sein Lumpenleben lieber ist ( 8 )

Als die Ehre der Heimat.

Beim Gott der Ungarn

Schwören wir, schwören wir, dass wir nicht weiterhin

Häftlinge sein werden!

Glänzender als die Kette ist das Schwert,

Besser schmückt es den Arm,

Und dennoch haben wir Ketten getragen!

Her mit dir, unser altes Schwert!

Beim Gott der Ungarn

Schwören wir, schwören wir, dass wir nicht weiterhin

Häftlinge sein werden!

Der ungarische Name wird wieder schön sein,

Würdig seines alten, großen Rufs;

Wir waschen die Schande ab, ( 9 )

Mit der die Jahrhunderte [es] beschmiert haben! ( 10 )

Beim Gott der Ungarn

Schwören wir, schwören wir, dass wir nicht weiterhin

Häftlinge sein werden!

Wo unsere Gräber sich wölben,

Werden sich unsere Enkel niederwerfen,

Und neben einem segnenden Gebet

Werden sie unsere heiligen Namen nennen. ( 11 )

Beim Gott der Ungarn

Schwören wir, schwören wir, dass wir nicht weiterhin

Häftlinge sein werden!

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Anmerkungen

Die folgenden Anmerkungen diskutieren Leserzuschriften und mögliche Überlegungen, die sich mit unserer Rohübersetzung des Nationalliedes auseinandersetzen.

   

Nr.

Anmerkung

1

Als Reaktion auf meine erste Rohübersetzung schrieb mir Kerstin Szanyi einleitend in ihrer E-Mail: „Zunächst finde ich es sehr erstaunlich und beachtenswert, dass sich jemand für 'das' Gedicht schlechthin des großen ungarischen Nationaldichters interessiert. Allerdings muß ich auch bemerken, dass es ein sehr anspruchsvolles Unterfangen ist und mir ihre Übersetzung nicht ganz so gefällt, da sie offensichtlich wortwörtlich nachübersetzt wurde (manchmal auch mit kleinen Übersetzungsfehlern). Dazu ist aber zu sagen, dass dies aus dem Ungarischen auch nicht ganz einfach ist, da manches mehrfache Bedeutungen hat. Aber wenn man sich an den Ungarischen Originaltext anlehnt, ich meine an das, was gemeint ist, so wird ihre Übersetzung dem revolutionäre Feuer und den sprühenden Patriotismus, der das Lied enthält, nicht ganz gerecht.“

Dem kann ich nur zustimmen, aber mein Ziel war und ist es, so nah am Text zu bleiben, wie es ohne grobe Verfälschung des Sinnes gerade noch möglich ist. Schöne und die patriotische Stimmung wiedergebende Übersetzungen haben wahrscheinlich schon viele mehr als ich dazu Berufene geschrieben, aber ich stelle mich hier auf die Ebene des Ungarischschülers (wo ich ja sowieso stehe), der zunächst viel elementarere Verständnisbedürfnisse hat. Mir hat's geholfen. Und hoffentlich Anderen auch.

Die angesprochenen kleinen Übersetzungsfehler meiner ersten Übersetzung sind in der jetzt vorliegenden Fassung (hoffentlich) beseitigt. Aber Irrtum ist immer möglich, und über vieles kann man geteilter Meinung sein. Sagen Sie mir Ihre Meinung!

2

Ursprünglich hatte ich „Erhebe dich, Ungarn“ übersetzt, was bereits eine kleine Entfernung vom Originaltext war, der „den Ungarn“ in der Einzahl nennt (obwohl er alle Ungarn meint), wie es in feierlicher Dichtung - nicht nur der Ungarn - seit Jahrhunderten geläufig ist. Aber wir wissen ja auch, dass die ungarische Sprache ein sehr lockeres Verhältnis zu der Unterscheidung zwischen Einzahl und Mehrzahl hat (siehe Einzahl und Mehrzahl - Egyes szám és többes szám); daher kann man natürlich auch „Auf, Ihr Ungarn!“ sagen, was Kerstin Szanyi vorzöge.

3

Wörtlich steht da „Da ist die Zeit“, aber ich habe hier den gewiss idiomatischeren Ausdruck von Kerstin Szanyi übernommen.

4

Das ungarische Zeitwort steht hier im felszólító mód (dem Modus, der in den Grammatiken oft unschön und nicht immer zutreffend mit „Imperativ“ übersetzt wird). Ob man das mit „Sollen wir ... sein“ oder „Wollen wir ... sein“ (Letzteres schlägt Kerstin Szanyi vor) übersetzt, bleibt sich gleich.

5

Kerstin Szanyi schrieb mir: „Häftlinge ist hier überhaupt nicht zutreffend, obwohl es 'wortwörtlich' gesehen stimmt, aber lyrisch eben nicht, da wird 'Sklaven' dem, was gemeint ist, gerechter.“ Auch die englische Wikipedia übersetzt „rabok“ (wörtlich: Sträflinge, Häftlinge) mit „slaves“ (Sklaven). Man kann aber darüber diskutieren, denn erstens hat der Dichter das Wort für Sträfling wohl nicht ohne Bedacht gewählt, und zweitens mussten die Ungarn sich wie Häftlinge oder Sträflinge im eigenen Land fühlen. Wie oft gerieten sie in die Fänge der unerbittlichen k.u.k. Justiz und in deren Gefängnisse, wegen ihrer einzigen Schuld, Ungarn zu sein! Das Bild des Sträflings wird übrigens von Petőfi in den folgenden Gedichtzeilen weitergeführt, wenn er wiederholt von den „Ketten“ spricht, in denen die Ungarn liegen. Aber auch Sklaven liegen natürlich in Ketten... Übersetzt also, wie es euch gefällt! Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, was der Dichter wirklich geschrieben hat.

6

Da die Wortfolge „Verdammte unsere Vorväter“ zu (berechtigten) Missdeutungen Anlass gegeben hat, habe ich jetzt verdeutlichend das im Deutschen zunächst mitgedachte Hilfszeitwort eingefügt, was „Verdammte sind unsere Vorväter“ ergibt. Das ist zwar weniger poetisch, aber es dürfte zum Verständnis beitragen. Ich folge der englische Wikipedia, die hier eine Gegenwartsform sieht („van“ bleibt in der Gegenwart weg, wenn eine Eigenschaft ausgedrückt wird), also die Verdammnis mit den zwei folgenden Zeilen statt mit der vorangegangenen Zeile verknüpft.

7

Kerstin Szanyi schrieb mir: „Begriffe wie 'Schurkenmenschen' usw. werden dem Originaltext nicht gerecht und lenken auch von der Schönheit und Ergriffenheit des ursprünglichen Textes ab. Um diese Stimmung und diesen gewichtigen Inhalt rüberzubringen, kann man leider nicht wortwörtlich Übersetzen. Daher finde ich (und viele meiner ungarischen Bekannten) die Nachdichtung von Martin Remané sehr schön und zutreffend.“

Recht hat sie, aber nicht umsonst habe ich meine Übersetzung bereits eingangs als Rohübersetzung vorgestellt, die sich von Martin Remané abhebt. Ich bin jedoch gern bereit, einen anderen Begriff einzusetzen, wenn der nah genug am Text bleibt! Da „ember“, wenn man sowieso von einem Menschen redet, nichtssagend bleibt, kann man z.B. den deutschen Begriff gern auf einen „Schurken“ reduzieren. Schon das ist natürlich besser lesbar. Aber inhaltlich daneben geraten finde ich den Ausdruck gar nicht, denn Petőfi will ja hier ganz drastisch sagen, dass jeder, der sich vor dem bewaffneten Kampf drückt, ein Schurke ist! Da soll Pfeffer in der Lyrik sein, und Petőfi hat sich sicher einen noch schlimmeren Ausdruck verkniffen, der ihm auf der Zunge lag!

8

Auch hier drischt Petőfi verbal auf alle Feiglinge und Drückeberger ein. Nichts ist schlecht genug, um das Leben solcher Leute zu bezeichnen. Vom „Putzlumpenleben“ spricht er. Wenn da Stimmung ist, dann heiliger Zorn und Lust auf üble Beschimpfung! Nicht nachvollziehen kann ich daher die Beweggründe, die die englische Wikipedia zur Übersetzung „pathetic life“ (pathetisches Leben) geführt haben. Soll das ironisch gemeint sein?

9

Die Verbform „lemossuk“ wird von der englische Wikipedia als Gegenwartsform der 2. Konjugation aufgefasst, die durch das Ausrufezeichen zu einem Versprechen für die Zukunft wird (We will wash away the shame!). Dem kann man sich anschließen, braucht es aber nicht unbedingt, da auch im Deutschen die Gegenwartsformen Zukunft bedeuten können, vor allem in Verbindung mit einem Ausrufezeichen.

Das Ausrufezeichen könnte dazu verführen, hier eine Aufforderung zu sehen. Und in der Tat ist ja beim ungarischen Zeitwort „mos“ (waschen) die Form „mossuk“ doppeldeutig, denn sie kann einerseits eine Gegenwartsform und andererseits eine Form des Imperativs sein (beide in der 2. Konjugation). Der hier vorliegende Text enthält jedoch dieses Zeitwort mit einem Präfix, und das ändert alles: Die Gegenwartsform heißt „lemossuk“, die Imperativform hieße aber „mossuk le“.

10

Im Deutschen kann man die poetische Voranstellung des Relativsatzes vor sein Bezugswort nur schwer wiedergeben, ohne das Verständnis zu erschweren und einen ziemlich unschön klingenden Satz zu erhalten. Daher ziehe ich vor, meiner Übersetzung die prosaische Fassung „Lemossuk a gyalázatot, mit rákentek (rá) a századok!“ zugrunde zu legen.

11

Alle ungarischen Verbformen dieses Satzes stehen in der Gegenwart (im Präsens). Vom Sinn her handelt es sich jedoch um zukünftige Handlungen, so dass man im deutschen Hauptsatz besser Formen der Zukunft (des Futurs) verwendet. Die Ungarn sind ja im Gebrauch des Futurs noch geiziger als die Deutschen...

Hundi

Danke!

Für Anregungen zur Verbesserung dieser Seite danken wir Kerstin Szanyi.

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Hans-Rudolf Hower 2003

Häufige Fragen - Webmaster

Letzte Aktualisierung: 06.04.16