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Eine falsche Übersetzung oder Deutung ist schnell passiert - und meist schnell repariert. Aber es gibt auch solche Irrtümer, die Karriere gemacht haben, die weite Verbreitung gefunden haben, zu Regeln oder gar Dogmen wurden und teilweise sogar unser heutiges Weltbild beeinflussen. Manche dieser Irrtümer geschahen ungewollt, manche aber deswegen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Hierher gehören auch Beispiele der Volksetymologie: Man glaubt fälschlicherweise, im fremdsprachigen Ausdruck einen möglichen Ursprung oder gar Wörter der eigenen Sprache zu erkennen, und passt den Ausdruck an diese Erkenntnisse an. Solchen Erscheinungen wollen wir im Folgenden etwas auf den Grund gehen. Unser Ziel ist keine Vollständigkeit, sondern ein Florilegium, das Einblick in die zu beobachtenden sprachlichen, geistigen, kulturellen oder spirituellen Beweggründe und Abläufe bietet.
Wenn Sie Fragen oder Beschwerden zu unseren Beispielen haben oder selbst weitere Beispiele beisteuern können, schreiben Sie uns bitte! Vielen Dank im Voraus!
Apfel des Paradieses
In unserem Kulturkreis stellt kaum jemand in Frage, dass Adam von Eva mit einem Apfel vom Baum der Erkenntnis verführt wurde und so die Vertreibung aus dem Paradies verursachte. Die Thora bzw. das Alte Testament der Bibel (1. Moses 3, 6) halten sich da eher bedeckt, denn beide (letzteres im Gefolge der ersteren) sprechen im hebräischen Original nur von פרי [pri], was sowohl die Luther-Bibel als auch die Zürcher Bibel korrekt mit Frucht übersetzen.
Aber dadurch hat sich noch niemand davon abhalten lassen, von Evas Apfel zu sprechen. Ein Glück, dass lt. Wikipedia der Paradiesapfel auch - österreichisch - eine Tomate oder - selten - eine Pampelmuse (neudeutsch: Grapefruit) sein kann! So findet man fast wieder zur Frucht der Thora und der Bibel zurück...
Die falsche Übersetzung findet man auch in dem ansonsten sehr empfehlenswerten Buch Bruno P. Kremer & Klaus Richarz, Wer lässt die Katze aus dem Sack? über deutsche Redewendungen, die Tiere oder Pflanzen verwenden.
Gewicht gegen Erbse
Im Französischen gibt es (mindestens) ein Wort, dessen Rechtschreibung für alle Schüler ein Problem darstellt, weil sie völlig aus der Luft gegriffen scheint. Es handelt sich um das Gewicht: poids. Das Wort wird genauso ausgesprochen wie die Erbse; diese wird aber pois geschrieben. Was soll also dieses d im Gewicht? Eine willkürlich erfundene Unterscheidung von der Erbse? Ein etymologisch bedingter Buchstabe, der im Laufe der Jahrhunderte verstummte, aber in der Schrift stehenblieb (ein im Französischen häufig anzutreffendes Phänomen)?
Schlimmer: Es handelt sich um eine von Sprachgelehrten zu Beginn der Neuzeit eingeführte falsche Etymologie! Die Sprachweisen glaubten damals, das Wort pois (wie das Gewicht im Mittelalter geschrieben wurde), käme vom griechischen Wort für Gewicht, das in der latinisierten Form pondus ins Latein gelangt wäre. Wie auch bei anderen Wörtern praktiziert, wollten sie im Wort für das Gewicht seine Herkunft wieder sichtbar machen und führten daher das d von pondus ein, das die heutige Rechtschreibung immer noch vorschreibt. Dabei weiß man heute, dass das Wort in Wirklichkeit vom lateinischen pensu(m) (Gewicht) kommt, also das d keinen Sinn ergibt.
Aber in Frankreich (+ Überseegebiete + ehemalige Kolonien + Schweiz + Kanada) ist es noch schwieriger als in Deutschland, eine Rechtschreibreform durchzusetzen...
Hals- und Beinbruch!
Bei dieser Redewendung wurde der ursprüngliche Sinn dem Wortlaut nach genau ins Gegenteil verkehrt, und jeder, der sie verwendet, sieht sich bemüßigt, ein Verständnis heischendes Lächeln aufzusetzen, das besagt, dass er nicht meint, was er sagt. Wie kann man auch jemandem wünschen, dass er sich Hals und Bein bricht!
Die Lösung des Rätsels liegt im Jiddischen. Dort wurde das hebräische baruch (gesegnet) so ausgesprochen, dass die Deutschen bruch verstanden, was unweigerlich an das Substantiv Bruch (von brechen) erinnerte. So wurde aus dem Segenswunsch Hals und Bein beruch! quasi eine doppelte Verfluchung in Form von Hals- und Beinbruch!, die sich trotz der Gefahr des Missverständnisses hartnäckig im alltäglichen Sprachgebrauch hält.
Jehova
Dieser z.B. von den Zeugen Jehovas verwendete Gottesname ist nicht das Ergebnis einer falschen Übersetzung, sondern das einer sprachwissenschaftlich falschen, aber theologisch gewollten Vermischung der Mitlaute des als heilig geltenden und daher unaussprechlichen hebräischen Gottesnamens JHVH mit den Selbstlauten des Wortes adonaj (mein Herr [wörtlich: meine Herren]). Wie konnte es dazu kommen?
Das Hebräische wird in einer Schrift geschrieben, die normalerweise nur Mitlaute (Konsonanten) kennt. (In der Quadratschrift der Thora und des christlichen Alten Testaments gibt es auch keinen Unterschied zwischen Groß- und Kleinbuchstaben.) Auch die eher spärlich gesäten Hinweise auf die zu sprechenden Vokale werden durch Konsonanten dargestellt, nämlich א (Aleph), י (Jod) bzw. ך (Waw). Die aus dieser Unvollständigkeit der Schrift manchmal hervorgehenden Missverständnisse können im Alltag meist hingenommen und schnell aufgeklärt werden. Anders jedoch bei heiligen Texten, deren Aussprache (vor allem im liturgischen Vortrag) unverändert erhalten bleiben und richtig verstanden werden muss. Die sog. Masoreten (Mehr Info bei Wiki...) haben daher im 8. - 10. Jahrhundert Vokal- und Betonungszeichen erfunden, die oberhalb, innerhalb oder unterhalb der Konsonanten geschrieben wurden und so das Lautbild der heiligen Texte ein für allemal festlegten. Der Gottesname als heiliges Tetragramm (= geschriebenes Wort aus 4 Buchstaben) wurde zusätzlich systematisch mit Selbstlauten (Vokalen) ausgestattet, die nicht zum Gottesnamen gehörten, sondern zum Wort elohim (Gott [wörtlich: Götter]) oder zum Ausdruck adonaj (mein Herr [wörtlich: meine Herren]). Damit wollte man vermeiden, dass jemand den heiligen Namen Gottes ausspricht. Anstelle des Gottesnamens sprach (und spricht) ein Jude dann das durch die Selbstlaute angedeutete Ersatzwort. Kombiniert man aber in der Aussprache fälschlicherweise die Mitlaute von JHVH mit den Selbstlauten von adonaj, kommt man in lateinischer Schrift zu Jehova als angeblichem Gottesnamen. Dieses Gemisch aus zwei Wörtern ist inzwischen auch in die Religionsgeschichte eingegangen.
Falls Sie es noch genauer wissen wollen:
Es gibt nur scheinbar einen Unterschied bei den Selbstlauten von Jehova und adonaj. Das erste a von adonaj entspricht genau dem e von Jehova. Beide drücken in Wirklichkeit das Fehlen eines echten Selbstlautes an dieser Stelle aus. Dieses Fehlen wird im Althebräischen mit dem unechten Selbstlaut Schwa (Doppelpunkt unter dem betreffenden Mitlaut) wiedergegeben, der einen sehr kurzen e-Nachklang nach einem Mitlaut ausdrückt und auf diese Weise einige für semitische Zungen schwierige Mitlauthäufungen aussprechbar macht. Der Unterschied ist nur, dass adonaj mit dem in lateinischer Schrift nicht wiederzugebenden Mitlaut Aleph (א) beginnt, der zwecks Aussprechbarkeit einen a-Nachklang erzwingt (Doppelpunkt + waagrechter Strich unter dem betreffenden Mitlaut), während an der entsprechenden Stelle in Jehova ein j steht, das mit dem normalen e-Nachklang zufrieden ist.
Jungfrau Maria
Weite Teile des Neuen Testaments der Bibel verstehen sich als Erfüllung von Aussagen des Alten Testaments. Eine für die Entwicklung der christlichen Kirchen wichtige Stelle ist Jesaja 7, 14, wo nach weit verbreiteter christlicher Auffassung die Geburt Jesu vorausgesagt wird, und zwar als Sohn einer Jungfrau. Da es im Altertum gängige Praxis war, um die Geburt eines im spirituellen Sinn außergewöhnlichen Menschen alle möglichen Wundergeschichten zu ranken, wundert es nicht, dass Maria auf dem Weg über die griechischen und lateinischen Bibeltexte als Jungfrau zu uns kam, die ihren Sohn Jesus (und nur diesen, denn sie hatte ja mehrere) ohne Zutun eines irdischen Mannes empfangen hatte. Dies war die Grundlage des heute noch in vielen christlichen Kirchen existierenden Kultes der Jungfrau Maria.
Viele evangelische Kirchen sind seit dem 19. Jahrhundert immer mehr von diesem Kult abgerückt, weil sie seine Grundlage als menschlichen, kulturell und historisch bedingten Mythos erkannt haben. Über Glaubensinhalte braucht man zwar nicht zu streiten, denn der Glaube entzieht sich der menschlichen Logik, aber textkritisch gesehen, ist die Grundlage des Jungfrauenkultes äußerst wacklig. Bei Jesaja steht für die Mutter des kommenden Heilands (das war die spätere Interpretation dieser Stelle durch die Christen) das Wort עלמה ['alma], und das bedeutet nur mannbares Mädchen, junge Frau, nicht Jungfrau im theologisch-sexuellen Sinn. Darauf macht schon die Zürcher Bibel in einer Fußnote zu Jesaja 7, 14 aufmerksam.
Meerkatze
Der deutsche Name dieser Tiere stellt unberechtigterweise eine Verbindung zwischen Meer und Katze her. Da stellen sich allen Katzen, die ja von Natur aus wasserscheu sind, die Nackenhaare auf! Zum Namen dieser im südlichen Afrika beheimateten Tiere, die übrigens zu den Primaten, also Affen gehören, gibt es laut dt. Wikipedia zwei Erklärungsversuche:
Ob wir jemals erfahren, wie der deutsche Name dieses Tieres wirklich entstanden ist? Auf jeden Fall ist klar, dass dieser Name unsinnig ist, aber sich durchgesetzt hat...
Tohuwabohu
Dieses Wort steht heute für ein riesiges Durcheinander, in dem es noch dazu meist wild hergeht. Ob das eine falsche Übersetzung des gleichlautenden hebräischen Ausdrucks aus der Schöpfungsgeschichte ist, kann man nicht sagen, denn bis heute weiß niemand, was dieser dreigliedrige Ausdruck aus tohu (= ?) + wa (= und) + bohu (= ?) wirklich bedeutet. Martin Luther hat ihn in seiner ersten deutschen Bibelübersetzung mit (Und die Erde war) wüst und leer übersetzt, eine intuitive Lösung, die sich auf den unmittelbaren Kontext stützt und auch heute noch plausibel erscheint, obwohl jeder sprachwissenschaftliche Nachweis fehlt.
Zeigen, wo der Barthel den Most holt.
Dass keiner weiß, wer dieser ominöse Mostliebhaber Barthel ist, braucht nicht zu wundern. Im vom Jiddischen beeinflussten Rotwelsch wurde das ursprünglich hebräische Wort barsel (Eisen) für die Brechstange benutzt, mit der man an Penunze, Kies oder (hebräisch) Moos, d.h. Geld kommen konnte. Ursprünglich hieß die Redewendung daher, dass man jemandem zeigt, wie und wo man mit Gewalt zu Geld kommt. Heute hat die Wendung einen drohenden Unterton, der sie in die Nähe von jemandem den Marsch blasen oder jemandem zeigen, wo's langgeht rückt.
Dennoch soll schon jemand mit einer Übelsetzung dieses Spruchs ins Hochdeutsche geglänzt haben: Ich werde dir zeigen, wo Bartholomäus den Wein holt!
Ziehen statt drücken
Waren Sie heute schon auf der Toilette? Ja? Dann haben Sie doch sicher auch gezogen! Oder haben Sie etwa gedrückt? Vielleicht haben Sie sogar erst das eine, dann das andere getan... Aber auf jeden Fall erst das Drücken, und dann das Ziehen! Bei diesen fäkalischen Verrichtungen ist die Rolle der Verben fest vorgegeben: Das Drücken dient der schnelleren Darmentleerung, während dagegen das Ziehen die garnierte Klo-Schüssel leeren soll.
Aber mit den abgewandelten Worten eines großen Möbelhauses muss man heute fragen: Ziehen Sie noch, oder drücken Sie schon? Die Wasserspülungen, bei denen man an einem Strick oder einer Stange zieht, um das Wasser in Marsch zu setzen, sind bereits nahezu ausgestorben. Man drückt heute die Wasserspülung, statt sie - wie früher - zu ziehen. Trotzdem fragt die heutige - und wohl auch künftige - Mutter ihr Kind nach der Verrichtung weiterhin Hast du gezogen? Denn Hast du gedrückt? fragt nicht nach der Wasserspülung...
Dieses Problem ist übrigens nicht auf die deutsche Sprache beschränkt. Auch andere Sprachen hinken da hinter der Wasserspülungsentwicklung her. So sagt man auch im Französischen weiterhin tirer la chasse d'eau (die Wasserspülung ziehen).
Wenn Sie Verbesserungs- oder Erweiterungsvorschläge zu unserer Darstellung haben, dann schreiben Sie uns bitte. Vielen Dank im Voraus!
Literatur
AutorIn, Titel |
Anmerkungen |
Info / Kauf |
Dieses Bändchen zeigt mit lachmuskelerschütternder Gewalt, dass Übersetzungslaien und Profis in aller Welt in der Lage sind, Übersetzungen danebengehen zu lassen... |
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Langenscheidt Dankstelle - Übelsetzungen: Brandneue Sprachpannen aus aller Welt |
Dies ist der nächste Band der Übelsetzungen. Es ist zu befürchten - oder voller Vorfreude zu hoffen, dass da bald eine ganze Übelsetzungsbibliothek entsteht. Auch abschreckende Beispiele haben ja einen Bildungswert... Und Lachen ist gesund! |
Hans-Rudolf Hower 2009
Letzte Aktualisierung: 04.04.16