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Deutsche und Juden haben in den deutschsprachigen Ländern trotz Phasen von Antisemitismus, Schikanen und Judenverfolgungen immer wieder längere Zeiträume des friedlichen Zusammenlebens oder zumindest des erträglichen Nebeneinanders erlebt. Der Höhepunkt dieser leider ungleichgewichtigen und oft einseitigen Liebesgeschichte war dann der Massenmord an den Juden unter Hitler, obwohl im damals nicht weit zurückliegenden Ersten Weltkrieg viele Juden ihr deutsches Vaterland mit ihrem eigenen Blut verteidigt hatten. Diese wenn auch immer wieder rassistisch vergiftete, doch im Leben wirklich bestehende Nähe hat tiefgehende Spuren hinterlassen. Die wenigstens teilweise gemeinsame Religion von Juden und Christen hat mit dazu beigetragen. Ohne den Jahrhunderte währenden Beitrag der Juden wären Sprache, Kultur, Literatur und Wissenschaft der Deutschen und so mancher anderer Europäer heute nicht das, was was sie sind.
Eine wichtige Vermittlerrolle spielte auf sprachlichem Gebiet das Jiddische, diese aus hebräischen, slawischen und deutschen Elementen zusammengewachsene Sprache, die über die familiäre Alltagssprache und das Rotwelsch (die vor allem Berliner Gaunersprache) den Weg in die deutsche Sprache gefunden hat.
Dem wollen wir im Folgenden von sprachlicher Seite etwas nachgehen.
Die folgenden Listen erheben natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen nur einen Einblick in ein oft vernachlässigtes sprachliches Geschehen bieten. Wenn Sie weitere Beispiele kennen, schicken Sie sie uns bitte! Vielen Dank im Voraus!
Wörter und Redewendungen
Deutsch |
Deutsche Synonyme |
Ursprung / Verwandtschaft |
Anmerkungen |
Barthel, jemandem zeigen, wo der ~ den Most holt |
Im Rotwelsch-Milieu bedeutete die Wendung jemandem zeigen, wo es etwas zu holen gibt (wozu man ja ein Brecheisen brauchte), in der deutschen Umgangssprache dann aber allgemeiner jemandem zeigen, wo es lang geht oder jemandem den Marsch blasen. |
Es geht hier gar nicht um einen Mann namens Bartholomäus, der den Most holt, sondern um zwei verballhornte hebräische Wörter. Diese zwei Wörter sind: |
Hier handelt es sich um zwei Korrekturen, mit denen die den Deutschen unverständlichen hebräischen Wörter so verbessert wurden, dass jeder sie problemlos (miss)verstand. |
Chuzpe |
Dreistigkeit, Frechheit |
Das hebräische חוצפה /chutspa/ (Dreistigkeit, Frechheit) kam über das Jiddische und Rotwelsche in die deutsche Umgangssprache. |
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Ganove |
Gangster, Verbrecher, Bandit |
Von hebr. גנב /ganav/ (Gauner, Dieb) über jiddisch / rotwelsch Ganov. |
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Hals- und Beinbruch |
Ironisch humorvoll für Alles Gute! |
Verballhornung des hebr. הצלחה וברחה /hatslacha webracha/ (Erfolg und Segen), das im Jiddischen bereits zu /hazloche we broche/ geworden war. |
Wird im Deutschen bevorzugt verwendet, wenn sich der Wunsch an Leute richtet, die etwas Gefährliches vorhaben (Bergsteigen, Skifahren u.ä.). |
kläffen |
keifen, kläffen, blaffen |
Aus hebr. כלב /kelev/ (Hund) ist im Jiddischen / Rotwelschen wohl nicht nur klefte (streitsüchtige, vulgäre Frau) entstanden, sondern auch kleffen (keifen, kläffen). |
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Massel haben |
(großes, unverschämtes) Glück haben |
Von hebr. מזל /masel/ (Glück, glücklicher Umstand, Glücksstern) |
Das eigentlich stimmhafte, einfache ז /s/ des hebräischen Wortes hat sich im Jiddischen, Rotwelschen und Deutschen letztendlich nicht durchgesetzt. |
meschugge |
verrückt, bekloppt |
Zum hebr. Substantiv משגה /meschuga/ (Wahnsinn) gehört das für deutsche Ohren fast gleich ausgesprochene Adjektiv משגע /meschuga'/ (wahnsinnig), das bereits in Deuteronomium 28, 34 vorkommt. |
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mies |
irgendwie übel oder schlecht |
Das hebr. מיוש /miús/ (ekelhaft, hässlich) wurde im Jiddischen / Rotwelschen zu mies, behielt aber seine negative Bedeutung. |
Nach Rosten nimmt hier eine direkte Übernahme aus dem Hebräischen an, was allerdings der Erklärung des Lautwandels schwieriger macht. |
Mischpoke |
(große) Familie, Klan |
Von hebräisch משפחה /mischpacha/ über jiddisch und rotwelsch Mischpoche oder Mischpoke. |
Im Rotwelschen bekam deas Wort auch die negativen Bedeutungen (Diebes-)bande und Polizei. Im Hochdeutschen schwingen auch in der Bedeutung Familie(nklan) negative Töne mit. |
Rutsch, einen guten ~ wünschen |
alles Gute zum neuen Jahr wünschen |
Ursprünglich wünschte man mit dieser Wendung einen guten Jahresbeginn, und der hieß auf Hebräisch רוש השנה /rosch haschana/ (Beginn des Jahres) oder auf Jiddisch verkürzt nur noch רוש /rosch/ (Anfang). Dieses für Deutsche unverständliche Wort wurde dann vom Volksmund zu dem ähnlich lautenden und allen verständlichen Rutsch zerredet. |
Da der Jahreswechsel auf der Nordhalbkugel immer im Winter stattfindet, erschien der Wunsch nach einer schlitter- und verletzungsfreien Landung im neuen Jahr nicht ganz unsinnig zu sein. |
völlig starr, regungslos |
Der Ausdruck stammt aus der Geschichte der von Gott gewollten Vernichtung der zwei Städte Sodom und Gomorra, die als Sündenpfuhl galten. Nur der fromme Loth und seine Familie wurden von Engeln rechtzeitig gewarnt und konnten fliehen. Doch Loths Frau (ihr Name wird nie genannt) drehte sich wider Gottes Verbot noch einmal um, um die brennnden Städte zu sehen, und erstarrte deshalb zur Salzsäule. |
Siehe auch Sodom und Gomorra. Siehe auch Wikipedia unter Sodom und Gomorra und Lot (Bibel und Koran). |
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Tohuwabohu |
heilloses Durcheinander, bayerisch: Verhau |
Kommt von 1. Mose 1, 1-2: והארץ היתה תהו ובהו /wehaarets hajetah tohu wabohu/. Das bedeutet nach Luther und anderen: (Gott schuf Himmel und Erde,) und die Erde war wüst und leer. Ursprung und Sinn der beiden hebräischen Wörter sind zwar umstritten, aber Linguisten und Theologen sind sich einig, dass sie in der Schöpfungsgeschichte in etwa das bedeuten müssen, was Luther vorgelegt hat und viele andere dann übernommen haben. |
Im Französischen sagt man für dieses Durcheinander übrigens tohu-bohu, capharnaüm, bazar (Fam.), neben fouillis, désordre, bordel (Fam.). |
Namen
Ein (Eigen-)Name bezeichnet im Gegensatz zu einen Wort keine Klasse von Wesen oder Dinge, sondern nur ein bestimmtes Exemplar davon es sei denn, dass er bildlich (metaphorisch) gebraucht oder in eine entsprechende Redewendung eingebaut wird.
Deutsch |
Deutsche Synonyme |
Ursprung / Verwandtschaft |
Anmerkungen |
Adam und Eva, bei ~ anfangen |
(mit einer Rede, einer Erklärung) ganz vorn anfangen, sehr weit ausholen, unnötig weite zurückschauen |
Adam und Eva sind nach der biblischen Schöpfungsgeschichte die ersten Menschen, die von Gott geschaffen wurden (ab 1. Mose 1, 26). אדם /'adam/ (Adam) ist der Stammvater der אדמה /'adama/ (Menschheit), und jeder Mensch ist בן אדם /ben 'adam/ (Sohn Adams). Folgerichtig sieht sich Jesus ebenfalls als Sohn Adams, was die Evangelisten auf Griechisch allerdings mit υιος του ανθροπου /hyios tou anthropou/ (Sohn des Menschen = Menschensohn) ausdrücken. Spätestens dort wird klar, was in der hebräischen Schöpfungsgeschichte unübersehbar ist, von den Übersetzungen derselben aber manchmal übersehen wird: Adam ist gar kein Eigenname, sondern ein Wort, das Mensch bedeutet. Folgerichtig tritt er im hebräischen Original mit dem bestimmten Artikel auf: האדם /ha'adam/ (der Mensch). Eva wird in der Schöpfungsgeschichte erst einmal nur האשה /ha'ischa/ (das Weib, die Frau) genannt und bekommt erst durch Adam den Eigennamen חוה /Chawa/ (Eva). |
Man kann stattdessen auch sagen, dass jemand bei der Entstehung der Welt anfängt. Siehe auch Wikipedia unter Adam und Eva. |
Krethi und Plethi |
Hinz und Kunz |
Die Krether und die Plether waren Volksstämme, die in der Bibel in Samuel 2 genannt werden. Es handelte sich dabei um Ausländer, die im Heer des Königs David dienten und sogar die Leibwache des Königs stellten. Auf Hebräisch hießen sie verbunden durch die Konjunktion ו /we/ (und) und jeweils mit dem bestimmten Artikel ה /ha/ הכרתי והפלתי /hakrethi wehaplethi/ (die Krether und die Plether). |
Heute hat der Ausdruck einen herabsetzenden Sinn, so nach dem Motto Da könnte ja jeder kommen! Wer weniger deutlich sein will, spricht von gemischtem Publikum. Wie kam ausgerechnet die Leibgarde des Königs also eine bestimmt sorgsam ausgewählte und als verlässlich geltende Spezialeinheit zu diesem schlechten Ruf? Versagen? Fremdenfeindlichkeit? Oder wurde der Ruf erst später ruiniert, als es diese Leibwache schon gar nicht mehr gab? Fragen über Fragen... Siehe auch Wikipedia unter Krethi und Plethi. |
Sündenpfuhl |
Der Ausdruck kommt von den zwei Städten Sodom und Gomorra, die laut Altem Testament wegen ihrer Lasterhaftigkeit von Gott niedergebrannt wurden. Nur der fromme Loth und seine Familie wurden von Engeln rechtzeitig gewarnt und konnten fliehen. Doch Loths Frau (ihr Name wird nie genannt) drehte sich wider Gottes Verbot noch einmal um, um die brennnden Städte zu sehen, und erstarrte deshalb zur Salzsäule. |
Was in dieser Geschichte unter Lasterhaftigkeit verstanden wurde, ist umstritten. Die einen reden von Sodomie, die anderen von Homosexualität. Siehe auch Salzsäule. Siehe auch Wikipedia unter Sodom und Gomorra und Lot (Bibel und Koran). |
Falls Sie Vorschläge zur Verbesserung oder Erweiterung dieser Seite haben, Schreiben Sie uns!
Literatur
Meine persönlichen Tipps
Autor / Titel |
Anmerkungen |
Info / Kauf |
Ein sehr umfangreiches Wörterbuch Jiddisch-Deutsch, mit oft weitschweifigen Artikeln, die nicht nur die Sprache betrachten. Bei den Transliterationen ist zu beachten, dass das Buch ursprünglich für englischsprachige Leser gedacht war. |
Näheres siehe Besprechung. |
|
Ein kompaktes Wörterbuch des Jiddischen, mit Transliterationshinweisen, Leseproben und schönen Reproduktionen in hebräischer Quadratschrift gedruckter Titelblätter. |
Näheres siehe Besprechung. |
|
Ein kompaktes Wörterbuch des Rotwelschen. |
Näheres siehe Besprechung. |
Literatursuche
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Inhalt / Themen |
Auf wikipedia.de |
Umfangreicher Lexikonartikel über diese laut Altem Testament ersten von Gott geschaffenen Menschen. |
Auf wikipedia.de |
Kurzer Lexikonartikel über diese antiken Volksstämme, die die Leibwache König Davids stellten. |
Auf wikipedia.de |
Lexikonartikel über den aus Sodom und Gomorra erretteten Loth. |
Auf wikipedia.de |
Umfangreicher Lexikonartikel über diese beiden von Gott ihrer Sündhaftigkeit wegen niedergebrannten Städte. |
Hans-Rudolf Hower 2016
Letzte Aktualisierung: 04.04.16