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Beim Eingang zur Ecole élémentaire Mirabeau (Mirabeau-Grundschule) in Tours wurde 2005 die folgende Gedenktafel angebracht, die an die Verhaftung, Verschleppung und Ermordung von fünf jüdischen Kindern erinnert.
Gedenktafel |
Foto: Bernard Roux 2006 |
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Kommentar
Wenn man von der Judenverfolgung - oder richtiger: der Judenvernichtung - unter dem Nazi-Regime spricht, bleibt der Schrecken abstrakt, unfassbar und kaum nachfühlbar. Es ist unendlich schwer, um sechs Millionen Menschen zu trauern, die man nie gekannt hat. Noch schwerer, ihren persönlichen Leidensweg mitzufühlen. Genau hier setzt die heilsame Wirkung der Gedenktafel in Tours an. Fünf Schulkinder im Alter von vier bis zwölf Jahren wurden verhaftet und wie Schwerstverbrecher zum Tode verurteilt. Fünf Kinder im strafunmündigen Alter wurden hingerichtet für ein Verbrechen, das sie nicht begangen hatten. Denn für seine eigene Geburt ist niemand verantwortlich.
Auch das ist wichtig: Diese Kinder wurden nicht von einfachen Kriminellen ermordet, sondern von staatstragenden Kräften aller Ränge und vieler Berufssparten, die sich im Rahmen eines großangelegten Völkermordes auf eigens dafür gemachte Gesetze des Deutschen Reiches und seines Satelliten Vichy-Frankreich stützen konnten. Wie bitte? Befehlsnotstand? Keine niedrigen Beweggründe? Also kein Mord? Das mag im Einzelfall zutreffen, denn ein Einzelner konnte von der Nazi-Maschinerie leicht in eine auswegslose Situation gebracht werden. Aber diese Rechtfertigung in größerem Umfang zu akzeptieren wäre eine Beleidigung für all die Menschen, die sich unter Einsatz - und oft Verlust - ihres eigenen Lebens dieser Mörderbande entgegengestellt und viele jüdische Leben gerettet haben.
Der Staat war also mit im Boot - und zwar als Kapitän. In erster Linie war das der deutsche Staat, denn von ihm ging die Gewaltorgie aus. Aber - und dies einzusehen haben die Franzosen lange gebraucht - der nach seiner Hauptstadt Vichy benannte französische Marionettenstaat und seine Anhänger haben eifrig bis übereifrig mitgemacht. Natürlich haben sie die eigentliche Tötungsarbeit meist den deutschen Nazis überlassen, haben lediglich Handlangerdienste (Amtshilfe) geleistet, indem sie Juden (und auch Kommunisten, Zigeuner, Homosexuelle, Widerständler und alles, was den Nazis sonst noch nicht gefiel) aufgespürt, verhaftet, vorübergehend interniert und dann an die deutschen Nazis übergeben haben. Aber mit dieser Übergabe war das Schicksal der Betroffenen meist besiegelt.
Die Beschäftigung der Franzosen mit ihrer eigenen faschistischen Vergangenheit hat erst spät eingesetzt (wobei sie nicht die Einzigen waren). Nach einigen blutigen Abrechnungen mit Kollaborateuren gleich nach Beendigung der deutschen Besetzung fühlten sie sich bis in die 1960er Jahre kollektiv nur als Opfer, nicht als Mittäter der deutschen Nazis. Ich erinnere mich noch gut an das Aufbegehren der öffentlichen Meinung in Frankreich, als mit dem Film Lacombe Lucien (das war der Name des collabo) erstmals das Leben und die Taten eines französischen Nazi-Kollaborateurs in Szene gesetzt wurden. Heute sind allerdings die massive Mitwirkung des französischen Vichy-Staatsapparats, die Existenz von bis zu 50 französischen Internierungslagern und vielfache persönliche Kollaboration bekannt und eingestanden. Was die Deutschen - die Drahtzieher - bitte nicht als Entschuldigung für ihr eigenes Verhalten verstehen sollten.
Die Familiennamen der jungen Opfer sprechen Bände, denn wie viele europäische Juden trugen sie deutsche Namen: Kronenberg und Sommerstein. Ihre Familien müssen also lange Zeit in deutschsprachiger Umgebung gelebt haben (die Schreibung Zomersztajn ist nur die lautgerechte Umsetzung von Sommerstein ins Polnische, was auf spätere Umsiedelung in polnischsprachige Umgebung hindeutet). Der Erste Weltkrieg hatte wenige Jahre zuvor gezeigt, dass die deutschen Juden sich als Deutsche fühlten und als deutsche Patrioten gegen den Rest der Welt in den Krieg zogen. Genutzt hat ihnen das leider gar nichts. Kollektiver Rassenwahn ist dumm und blind. Das Tausendjährige Reich hat in den paar Jahren seiner Existenz den besten Teil seiner eigenen Intelligenz umgebracht oder außer Landes getrieben.
Sachliche Hinweise
Die Gemeinde Monts liegt etwa 16 km südlich von Tours noch im selben Departement (Indre-et-Loire). In den amtlichen Seiten von Monts wird der Ort des Internierungslagers am Rand der Gemeinde mit la Lande de Monts (wörtlich: die Heide von Monts) angegeben. Das Lager war zwar das größte des Departements, aber es war klein im Verhältnis zu den Lagern anderer Departements.
Auschwitz-Birkenau war eine Außenstelle des KZ Auschwitz (bei der polnischen Ortschaft Oświęcim in der Nähe von Krakau). Die Spezialität, aber nicht der alleinige Wahnsinn dieser Außenstelle war Vernichtung der Menschen durch Arbeit. Als einer, der selbst durch diese Hölle gegangen ist und sie überlebt hat, hat Primo Levi mit dem objektiv beobachtenden Auge des Naturwissenschaftlers einen packenden und erschütternden Bericht über seine dortigen Erlebnisse und seine Flucht über die Sowjetunion bis in seine Heimat Italien geschrieben (siehe unten).
Man sollte die französischen Internierungslager nicht vorschnell mit den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten in einen Top werfen. Wenn es dort auch nicht wirklich menschlich zuging und am Ende der Internierung meist die Abreise in den Tod stand, so war die primäre Aufgabe dieser Lager eben doch nicht die Vernichtung von Menschen. Letzterer Zweck stand dagegen bei den KZ eindeutig im Vordergrund, auch wenn manche von ihnen als Arbeitslager firmierten. Der autobiografische Bericht von Henri Lacaze spricht hier Bände.
Das Verbrechen an den hier genannten jüdischen Kindern von Tours war nur eines unter vielen im Herrschaftsbereich der Nazis. Ein Beispiel aus Polen finden Sie unter Kindermord in Lublin.
Nachtrag zu Weihnachten 2008
Die hier beschriebene Gedenktafel wurde von bislang unbekannten Tätern gewaltsam entfernt. Gefolgsleute und Trittbrettfahrer der Mörder von damals weilen also immer noch unter uns. Auf freiem Fuß...
Literatur
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Meine persönlichen Tipps
Autor / Titel |
Anmerkungen |
Info / Kauf |
Baedeker Allianz Reiseführer Frankreich |
Das ist das immer noch kaum zu umgehende Standardwerk. Es ist zwar wegen der Papierqualität etwas schwer, aber ansonsten handlich und vor allem inhaltsreich. |
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Michelin Le Guide Vert Châteaux de la Loire |
Dieses ausgezeichnete Standardwerk in französischer Sprache spiegelt das Kulturverständnis unserer westlichen Nachbarn wider. Das kann für den deutschsprachigen Touristen von Vor- oder Nachteil sein, denn er bekommt zwar Einglicke in die fremde Geisteswelt, findet aber nicht unbedingt alle Dinge in der von ihm erhofften Art gewürdigt. Beide nebenstehend angegebenen Ausgaben sind in frz. Sprache geschrieben. |
Taschenbuch von 2001: amazon.de/at. Broschierte Neuausgabe 2009: amazon.fr. |
Loire-Schlösser |
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Touraine |
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Tours |
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Ein autobiografischer Roman über Leben, Arbeit und Tod in einer Außenstelle des KZ Mauthausen, deren Insassen unter mörderischen Bedingungen einen Tunnel nach Kroatien bauen mussten, um der deutschen Wehrmacht den Durchmarsch zu erleichtern. Zum Schreiben dieses mit viel sarkastischem Humor geschriebenen literarischen Bravour-Stückes war der Autor nach eigener Aussage erst Jahrzehnte nach seiner Rückkehr nach Frankreich fähig. Der Roman handelt zwar von einem ganz anderen KZ als unsere Inschrift in Tours, aber auch hier fand die Verhaftung und Internierung in Frankreich statt, und ich kenne keine bessere Einführung in die perverse Logik (Logik?) der KZ-Maschinerie. Mir ist unbekannt, ob das Buch jemals ins Deutsche übersetzt wurde (was wegen des darin benutzten Argot nicht einfach gewesen wäre). Leider ist es aber auch auf Französisch derzeit (2008) nicht im Buchhandel erhältlich (weder in Deutschland noch in Frankreich noch online). Warum? |
Öffentliche Bibliotheken in Frankreich, Institut français, Uni-Bibliotheken, Antiquariate (bouquinistes). |
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Primo Levi, Ist das ein Mensch? Ein autobiographischer Bericht |
Das Leben, Arbeiten und Sterben in Auschwitz-Birkenau. Unbedingt lesenswert. Historisch-inhaltlich wertvoll und literarisch ein Glanzstück. (Mehr Info... (derzeit leider nur auf Französisch). Wer genügend Italienisch kann, dem empfehle ich dringend die Lektüre der Originalausgabe (unter dem Titel Se questo è un uomo). |
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Primo Levi, Die Atempause |
Die Flucht. Fortsetzung von Ist das ein Mensch? Genauso gut zu bewerten wie Ist das ein Mensch?. (Mehr Info... (derzeit leider nur auf Französisch). Wer genügend Italienisch kann, dem empfehle ich dringend die Lektüre der Originalausgabe (unter dem Titel La tregua). |
Literatursuche
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Internet
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Adresse / Eigner |
Inhalt / Themen |
Von der Stadt Tours. |
Amtliche Seiten. Zum Office de tourisme und einem (ziemlich groben) Plan der Innenstadt kommt man über www.ligeris.com. |
In dt. Wikipedia. |
Längerer Lexikon-Artikel über die Stadt Tours, ihre Geschichte und Gegenwart. |
Gemeinde Monts. |
Amtliche Seiten der Gemeinde Monts, mit Link zu der weiter unten angesprochenen PDF-Datei über das Lager La Lande. |
In frz. Wikipedia. |
Französischsprachiger Lexikonartikel über die Gemeinde, in der sich das Lager La Lande befand. Das aber in diesem Artikel überhaupt nicht vorkommt... |
Histoire du camp de la Lande de Monts In den amtlichen Seiten der Gemeinde Monts. |
Alles über das in unserer Inschrift erwähnte Internierungslager in Monts (auf Französisch, PDF, rd. 660 kB). |
Konzentrationslager (historischer Begriff) In dt. Wikipedia. |
Noch in Diskussion befindlicher Lexikon-Artikel über Geschichte und Funktion der Konzentrationslager. Unbedingt zu vergleichen mit dem ebenfalls noch in Diskussion befindlichen Artikel über die Internierungslager. |
In dt. Wikipedia. |
Noch in Diskussion befindlicher Lexikon-Artikel über Geschichte und Funktion der Internierungslager. Unbedingt zu vergleichen mit dem ebenfalls noch in Diskussion befindlichen Artikel über die Konzentrationslager. |
In dt. Wikipedia. |
Ausführlicher Lexikon-Artikel über den Gesamtkomplex des KZ Auschwitz und seine verschiedenen Untergliederungen. |
In dt. Wikipedia. |
Ausführlicher Lexikon-Artikel speziell über das zum KZ Auschwitz gehörende Arbeitslager Auschwitz-Birkenau. |
Von ZEIK 2 Uni-Potsdam. |
Der Titel des Artikels ist irreführend, denn hier wird kein unholdes Frankreich vorgeführt, sondern viel Informationen über die französischen Internierungslager gegeben. |
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Ob Zimmer, Appartment, Ferienwohnung, Ferienanlage (Resort),
Pension, Hotel oder sonst eine Unterkunft, HINWEIS: Bei booking.com angekommen, können Sie nach Klicken auf Suche alle voreingestellten Suchfilter nach Belieben ändern. |
Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Zur Anreise nach Tours siehe Inschriften in Tours.
Über den Bahnhofplatz (pl. du Gal. Leclerc) gelangt man zum Boulevard Heurteloup. Diesen überquert man und folgt ihm nach rechts bis zur Einmündung der Rue Mirabeau. Man biegt in letztere nach links ein und folgt ihr bis zur Kreuzung mit der Rue François Clouet, in die man nach links einbiegt. Nach wenigen Metern erreicht man den Eingang der Mirabeau-Schule. Die Inschrift befindet sich an der rechten Wand der Portalwölbung.
Angaben zur Anreise entsprechen unseren persönlichen Kenntnissen oder sogar Erfahrungen, aber wir können keinerlei Verantwortung für ihre Richtigkeit übernehmen. Wenn Sie diese Seite lesen, können sich in der Wirklichkeit Veränderungen ergeben haben.
Hans-Rudolf Hower 2008
Letzte Aktualisierung: 03.04.16