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Wer soll sich in Psalm 74, 18 woran erinnern?

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Psalm 74, 18 wurde im Lauf der Jahrhunderte in sehr verschiedener Weise aus dem biblischen Hebräisch in die moderne Sprachen übersetzt, und auch heute herrscht unter Sprachwissenschaftlern und den Theologen der verschiedenen Konfessionen nicht immer Einigkeit. Die Übersetzungsvarianten liegen nicht so weit auseinander, dass sich daraus einschneidende theologische Folgerungen ergäben. Doch hat die Vorstellung des Gedenksteins für die zerstörte Münchner Hauptsynagoge gezeigt, dass politisch-historische Missverständnisse oder Missbräuche nicht ausgeschlossen werden können, weil nicht klar ist, wer hier zum Gedenken aufgefordert wird und woran er sich erinnern soll. Daher soll hier versucht werden, einen allgemein verständlichen Einblick in die Schwierigkeiten bei der Übersetzung dieses Bibeltextes gegeben werden.

Hier sind die Themen dieser Seite:

Althebräischer Denkmaltext - Althebräischer Bibeltext - Literatur - Problemdiskussion

.

Althebräischer Denkmaltext (Psalm 74, 18, erste Hälfte)

Hebräischer Text 1

Weiteres zu diesem Denkmal, zur dort angebrachten deutschen Übersetzung des obigen Textes und zu den weiteren Inschriften finden Sie unter
Ehemalige Synagoge von München.

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Althebräischer Bibeltext von Psalm 74, 17-19

Das im Alten Testament verwendete Hebräisch wird gewöhnlich Althebräisch oder biblisches Hebräisch genannt. Da das heute in Israel gebrauchte Neuhebräisch meist „Ivrit“ genannt wird, wird Althebräisch oft auch einfach Hebräisch genannt.

Der hier wiedergegebene Text stammt aus der Biblia Hebraica von Knittel und enthält neben der ursprünglichen Konsonantenschrift eine durchgängige Vokalisierung (samt Hinweisen zur richtigen Vortragsweise), die letzendlich auf die Massoreten des 9.-10. Jahrhunderts unserer Zeit zurückgeht. Die Verszählung in arabischen Ziffern ist ein hilfreicher moderner Zusatz.

Hebräischer Text 2

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Übersetzungsvarianten von Psalm 74, 17-19

Die folgende Tabelle stellt einige der verschiedenen Übersetzungsvarianten gegenüber, die im Laufe der Jahrhunderte veröffentlicht wurden. Auch nur annähernde Vollständigkeit ist dabei in diesem Rahmen natürlich nicht zu erzielen. Wenn Ihnen in Ihrer eigenen Bibel eine hier nicht vertetene Variante auffallen sollte, dann schicken Sie uns diese bitte. Auch inhaltliche Beiträge zur hier geführten Diskussion sind jederzeit willkommen. Klicken Sie bitte hier für jede Mitteilung.

Da der Umtext von Vers 18 für die sprachliche und inhaltliche Analyse von Wichtigkeit ist, werden jeweils auch der vorangehende und der nachfolgende Vers angegeben.

Vers

Übersetzung

Ausgabe, Sprache, Anmerkungen

17

18

19 

Du setzest einem jeglichen Lande seine Grenze;
Sommer und Winter machst du.

So gedenke doch des, daß der Feind den Herrn schmäht
und ein töricht Volk lästert deinen Namen.

Du wollest nicht dem Tier geben die Seele deiner Turteltaube,
und die Herde deiner Elenden nicht so gar vergessen.

Luther-Bibel (protestantisch)

Deutscher Gesamttext des Psalms

17

18

19 

Du hast festgestellt alle Grenzen der Erde;
Sommer und Winter, du hast sie geschaffen.

Gedenke dessen, da der Feind schmäht, o Herr,
da törichtes Volk deinen Namen lästert.

Gib nicht dem Raubtier preis die Seele deiner Taube,
und vergiss nicht ewig des Lebens deiner Elenden!

Züricher Bibel (protestantisch)

Deutscher Gesamttext des Psalms

17

18

19 

Festgelegt hast du alle Grenzen der Erde;
Sommer und Winter, du hast sie geschaffen.

Erinnere dich daran, dass der Feind den Herrn geschmäht hat,
und dass ein törichtes Volk über deinen Namen gelästert hat.

Gib nicht preis den Raubtieren die Seele deiner Taube:
vergiss nicht, für immer, das Leben deiner vom Unglück Geschlagenen!

Bibel von Ferreira de Almeida (katholisch), von mir aus dem Por­tu­giesischen ins Deutsche übersetzt

Portugiesischer Gesamttext des Psalms

17

18

19 

der du alle Grenzen der Erde festgelegt hast,
Sommer und Winter, du hast sie geschaffen.

Erinnere dich, Yahvé, der Feind begeht Gotteslästerung,
ein törichtes Volk beleidigt deinen Namen.

Liefere nicht dem wilden Tier die Seele deiner Turteltaube aus,
das Leben deiner Unglücklichen, vergiss es nicht bis zum Ende.

Jerusalemer Bibel (katholisch), von mir aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt

Französicher  Gesamttext des Psalms

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Problemdiskussion

Folgende Problemkreise ergeben sich:

In welcher Schrift ist Psalm 74 geschrieben?
Wer wird gebeten, nicht zu vergessen?
Wie heißt Gott?
Woran soll sich der Angeflehte erinnern?
Wer schmäht/schmähte und lästert/lästerte?
Wer ist/war das Ziel der Schmähungen und Lästerungen?
Was geschieht/geschah wann?
Wie ist Vers 18 im Textzusammenhang zu interpretieren?

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In welcher Schrift ist Psalm 74 geschrieben?

Der Psalm ist, wie das ganze Buch, das die Christen „Altes Testament“ nennen, in der so genannten hebräischen Quadratschrift geschrieben. Diese Schrift wurde damals für beide alttestamentlichen Sprachen (Aramäisch und Hebräisch) benutzt und dient im Übrigen auch für das moderne Hebräisch unserer Tage (als Druckschrift). In dieser Konsonantenschrift werden Vokale nur in manchen Fällen - durch Ersatzkonsonanten - angezeigt. Das kann in manchen Fällen zu Interpretationsschwierigkeiten führen, spielt aber in unserem Text hier keine Rolle, zumal wir auf eine zwar späte (ab dem 9.-10. Jahrhundert unserer Zeit von den Massoreten erstellte), aber laut modernen Wissenschaftlern vertrauenswürdige Fassung zurückgreifen können, die voll vokalisiert ist.

   

Wer wird gebeten, nicht zu vergessen?

Im gesamten Psalm 74 spricht der Autor des Psalms (oder der Gläubige, der den Psalm als Gebet auffasst) mit Gott in der zweiten Person („du“). (Auch Vers 12 muss m.E. übersetzt werden mit „Du, Gott, bist mein König von alters her [...].“, um den Zusammenhang mit dem Umtext zu wahren.) Obwohl es vom Satzaufbau her korrekt wäre, passt es daher nicht in den Gesamtzusammenhang, dass im ersten Teil von Vers 18 Gott auf einmal in der dritten Person erscheinen soll („dass der Feind den Herrn [ge]schmäht[ hat]“) - und übrigens im zweiten Teil des Verses sofort wieder in der zweiten Person („deinen Namen“).

Die „Züricher Bibel“ und die zitierte französische Bibel ziehen daraus die plausible Konsequenz (der ich mich anschließe), den Gottesnamen im ersten Teil von Vers 18 als Anredeform (Vokativ), also eine inhaltlich der zweiten Person entsprechende Form zu interpretieren („o Herr“). Dies ist vom Satzbau her ebenso korrekt, aber vom Textzusammenhang her sinnvoller. Die Masoreten haben anscheinend auch an diese Auslegung gedacht, da sie zwischen „[ge]schmäht[ hat]“ und den Gottesnamen einen trennenden Senkrechtstrich eingefügt haben, um den Gottesnamen als Einschub zu kennzeichnen, vor dem der Vortragende eine das Verständnis fördernde kleine Pause machen soll.

Halten wir also fest, dass hier kein Mensch, sondern Gott angefleht wird, sich zu erinnern.

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Wie heißt Gott?

Der Name Gottes kommt im hebräischen Text des Psalms 74 nur in Vers 18 als Höhepunkt der Klage und Anflehung vor und wird mit dem so genannten Tetragramm „jhwh“ wiedergegeben. Da dieser heilige Name nicht ausgesprochen werden durfte, haben die Massoreten ihn (d.h. seine Konsonanten) hier mit den Vokalen des Ausdrucks „adonai“ unterlegt, der soviel wie „mein Herr“ bedeutet.

Unter den hier zitierten Bibelversionen hat es nur die Ecole biblique de Jérusalem gewagt, den Gottesnamen voll auszuschreiben, wie er wahrscheinlich auszusprechen gewesen wäre, wenn denn je jemand ihn hätte aussprechen mögen (die Aussprache ist für Anhänger des Judaismus m.W. nicht erlaubt). In den vokalisierten hebräischen Texten kommt der Name nie mit seinen „richtigen“ Vokalen vor; diese konnten daher von Sprachwissenschaftlern nur indirekt erschlossen werden.

Da das Hebräische keine Deklinationsendungen zur Fallunterscheidung kennt und die Akkusativmarkierung durch eine Präposition nicht zwingend ist, kann man der Form des Namens nicht ansehen, ob dieser als Akkusativobjekt („den Herrn“) oder als Vokativ („o Herr“) aufzufassen ist. Wie unter Wer wird gebeten, nicht zu vergessen? gezeigt, muss aufgrund des Textzusammenhangs entschieden werden.

Im hebräischen Text des Münchner Gedenkstein (im Mittelpunkt des Davidsterns) wurde der Gottesname nicht ausgeschrieben, sondern nur durch das Kürzel Daleth (= d) wiedergegeben. Der Buchstabe Daleth ist hier gleichbedeutend mit dem Tetragramm „jhwh“, denn er hat den Zahlenwert 4 (=> 4 Buchstaben => Tetragramm) und ist eine gängige Abkürzung für „Gott“.

In der deutschen Übersetzung auf dem Gedenkstein wurde leider „o Gott“ weg gelassen und durch „dich“ ersetzt, was nicht zur Klarheit des Textes beiträgt, sondern den Leser auf die falsche Fährte lockt, es ginge hier um die von ihm selber erlittenen Schmähungen.

Zwei Randbemerkungen:

Das Vermischung der Konsonanten von „jhwh“ mit den Vokalen von „adonai“ ergibt die verballhornte Form „Jehova“, die von gewissen Sekten als heiliger Name angenommen wurde.

An anderen Stellen des Alten Testamentes werden die Vokale von „elohim“ (Gott) unterlegt.

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Woran soll sich der Angeflehte erinnern?

Das Wort „soth“ („dieses“ in der Mehrzahl, also „diese Dinge“) kann sowohl auf etwas vorher Genanntes (Vers 12: treue Gefolgschaft des Psalmsängers, Verse 13-17: die Heilstaten, die Gott in seiner Allmacht seit Anfang der Welt vollbracht hat) als auch auf etwas später Genanntes (Vers 18: die Schmähungen des Feindes und Lästerungen des Volkes) verweisen. Die Entscheidung muss vom Textzusammenhang kommen (oder auch offen bleiben).

Der logische Anschluss des zweiten Teils von Vers 18 ist syntaktisch kein Problem, denn der für das biblische Hebräisch typische Satzbau ist von dem geprägt, was Sprachwissenschaftler oft „implizite Hypotaxe“ nennen. Das heißt, dass sehr oft Satzteile, Nebensätze oder auch ganze Hauptsätze unverbunden nebeneinander gestellt werden, obwohl eine logische Abhängigkeit besteht. Diese drückt man in modernen indogermanischen Sprachen (wozu das Deutsche gehört) normalerweise durch „Schachtelsätze“ aus und stellt darin die logischen Bezüge durch entsprechende Bindewörter (dass, da, weil, während, obwohl...) her. Die Kunst ist nun, die logischen Bezüge zu ergründen, die jemandem von damals spontan in den Sinn gekommen wären. Und da sind sich auch die Gelehrten nicht immer einig. So auch in Psalm 74, 18.

Die „Züricher“ Interpretation erscheint mir im Textzusammenhang plausibler: Gott wird angefleht, der Treue des Psalmsängers und seiner eigenen großen Heilstaten zu gedenken, d.h. sich seiner Allmacht bewusst zu sein - denn diese beiden Elemente müssten Gott dazu bewegen, einzugreifen.

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Wer schmäht / schmähte und lästert / lästerte?

Die Schmähungen kommen vom „Feind“. Dieser wird in den Versen 3-10 als grausamer militärischer Eindringling geschildert, der große Teile des Landes verwüstet und Gottes heilige Stätten entweiht hat und immer noch im Land herrscht.

Die Lästerungen kommen von „törichtem Volk“ ohne jede nähere Bezeichnung. Damit können die Feinde, aber auch Teile der eigenen Bevölkerung gemeint sein, die mit dem Invasor gemeinsame Sache machen oder zumindest die Lage dazu ausnützen, sich von Gott abzuwenden.

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Wer ist / war das Ziel der Schmähungen und Lästerungen?

Bei den Lästerungen ist alles klar, denn „törichtes Volk lästert deinen Namen“, d.h. Gottes Namen (Vers 18 zweiter Teil).

Beim Verb „schmähen“ fehlt das Objekt, es sei denn, man interpretiert den folgenden Gottesnamen als solches (was wir bereits unter Wer wird gebeten, nicht zu vergessen? in Übereinstimmung mit der „Züricher“ Bibel abgelehnt haben). Man kann nun annehmen, dass hier „schmähen“ absolut, d.h. ohne Objekt gebraucht wird, aber das wäre für dieses Verb lt. Gesenius eher ungewöhnlich und für das Anliegen des Psalmsängers (Aufzeigen der Dringlichkeit der Lage) unproduktiv. Syntaktisch ist es aber auch kein Problem, das am Ende stehende „deinen Namen“ als gemeinsames Objekt der beiden Verben „schmähen“ und „lästern“ anzunehmen. Der Sänger sagt also zu Gott sinngemäß: „Der Feind schmäht deinen Namen, und törichtes Volk lästert deinen Namen.“ Dass die „Züricher“ Übersetzung diesen Doppelbezug nicht ausdrückt, hat vielleicht eher prosodische als inhaltlich-syntaktische Gründe.

Da „dein Name“ inhaltlich quasi mit „dich“ gleichzusetzen ist (denn in der Gesellschaft stand und steht der Name für die ganze Person), kann man zum Münchner Gedenkstein Folgendes sagen:  Wenn man die in Stein gemeißelte Übersetzung richtig interpretiert, indem man „der Feind höhnte dich“ als verkürzten Ausdruck für „der Feind höhnte deinen Namen“ deutet und damit die Schmähungen auf Gott bezieht, dann stimmt die Übersetzung, mit Ausnahme der grammatischen Zeit. Aber welcher Passant stellt solche komplizierten Überlegungen an?

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Was geschieht / geschah wann?

Ab Vers 3 werden die Untaten geschildert, die der Feind in der Vergangenheit verbrochen hat. Aber spätestens Vers 10 („Wie lange, o Gott, soll der Widersacher noch schmähen, [...]?“) zeigt, dass der Feind immer noch im Land ist und immer noch Gott schmäht. Daher sind auch die Schmähungen und Lästerungen von Vers 18 als gegenwärtige Handlungen zu begreifen, obwohl sie im so genannten „Perfekt“ stehen.

Im biblischen Hebräisch, wie auch in anderen antiken semitischen Sprachen (v.a. Aramäisch, Arabisch), existierten nur zwei „Zeitformen“ (oft fälschlicherweise „Perfekt“ und „Imperfekt“ genannt), die in Wirklichkeit keine Zeit in unserem Sinn, sondern ganz andere Dinge ausdrückten (Reihung, Modalität, Bedingtheit, Absolutheit usw.). Da man in den modernen indogermanischen Sprachen gezwungen ist, jede Handlung in das Korsett „Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft“ zu pressen, kann oft nur eine Betrachtung des Umtextes die adäquate Übersetzung der Verbformen ermöglichen - und Fehler oder zumindest Diskussionsbedarf hervorrufen. So steht im althebräischen Text von Vers 18 „schmäht“ bzw. „höhnt“ (chereph) genau wie „lästert (ni’azu) im so genannten „Perfekt“ (nicht fremdbedingte Handlung), aber es wäre falsch, dies mit einer deutschen Vergangenheitsform wiederzugeben: Der Feind höhnt/schmäht und das Volk lästert JETZT, in der Gegenwart des Psalmschreibers.

Anmerkung zur heutigen sprachlichen Situation

Bei Diskussionen mit Neuhebräisch (Ivrit) sprechenden Menschen trifft man immer wieder auf Unverständnis für die Bedeutung der althebräischen Verbformen. Der Grund ist folgender: Das Neuhebräische hat zwar die alten (zeitneutralen) semitischen Verbstämme (Paal, Piel usw.) und auch den Formenbestand weitgehend erhalten, aber im übrigen wurde das indogermanische Zeitschema Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft übernommen. Ich kann nur vermuten, dass die Pflege bzw. Wiederbelebung des Hebräischen als Alltagssprache durch meist in indogermanischer Umgebung lebende Juden der Grund dafür war (wenn Sie mehr darüber wissen, schreiben Sie es uns bitte). Der Übergang wurde ganz offensichtlich folgendermaßen vollzogen:

Althebräisch

Wurde im Neuhebräischen

„Perfekt“

Vergangenheit

Partizip aktiv

Gegenwart

„Imperfekt“

Zukunft

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Wie ist Vers 18 im Textzusammenhang zu interpretieren?

Um den Sinn des Ganzen zu erfassen, muss man den gesamten Psalm zu Rate ziehen und vor allem den Schlüsselsatz, der gleich im ersten Vers steht (hier zitiert nach der „Züricher Bibel“):

„Warum, o Gott, verstößt du uns auf immer,
flammt dein Zorn wider die Schafe deiner Weide?“

Es folgen Angaben zu dem, was Israel widerfahren ist (und als Strafe Gottes empfunden wird): Ein politisch-militärisch-religiöser Feind hat das Land eingenommen und die Heiligtümer Gottes entweiht. Laut Vers 9-10 hält der Feind das Land immer noch besetzt, keiner weiß, wie lange die Besatzung nochdauern wird, und kein Prophet ist da, der dem Volk Israel sagt, wie es nach Gottes Willen weiter gehen soll.

In dieser konkreten, gegenwärtigen Situation fleht der Psalmsänger Gott an, dass er sich doch an die immerwährende Treue des Psalmsängers und an seine (Gottes) Allmacht erinnern (beides Argumente, die Anflehung gleich zu erhören) und Israel von seinen und Gottes Feinden retten möge. Der (am Ende des Psalmes wiederholte) Hinweis auf  das Höhnen und die Schandtaten der Feinde ist als Hinweis auf die Dringlichkeit des Anliegens und sozusagen (man gestatte mir die lockere Ausdrucksweise) ein Appell an das Ehrgefühl Gottes zu verstehen, der sich all dies Schlimme aufgrund seiner Allmacht doch nicht gefallen zu lassen brauche.

Bei dieser Interpretation erscheint der auf den Gedenkstein übernommene und leider nur teilweise ins Deutsche übersetzte Teil von Vers 18 in einem völlig neuen Licht und macht den Weg frei zu einer für das Zusammenleben von Juden und Christen in Deutschland produktiveren Sichtweise.

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Literatur

AutorIn / Titel

Anmerkungen

Info / Kauf

Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers (genannt „Luther-Bibel“)

Die grundlegende deutsche Übersetzung für die protestantischen Kirchen.

Privilegierte Württembergische Bibelanstalt (Stuttgart), Buchhandel, theologische Uni-Bücherei

Die Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments, 1942 (genannt „Züricher Bibel“)

Diese Bibel galt im Protestantismus als erste gelungene Modernisierung der Luther-Bibel im 20. Jh. und fand daher weite Verbreitung.

Verlag der Zwingli-Bibel (Zürich), Buchhandel, theologische Uni-Bücherei

Stuttgarter biblisches Nachschlagewerk, Ausgabe 1950

Die papierne Suchmaschine: Wenn man in einer deutschen Bibel etwas sucht, findet man es hier drin.

amazon.de, theologische Uni-Bücherei

La Sainte Bible, traduite en français sous la direction de l’Ecole biblique de Jérusalem, Ausgabe 1961

Die Ecole biblique de Jérusalem ist eine der besten katholischen Adressen für archäologisch-sprachwissenschaftliche Bearbeitung hebräischer und aramäischer Texte aus Palestina, wenn sie auch durch die Jahrzehnte lange Nichtveröffentlichung der Qumran-Texte zeitweise in die Kritik geraten ist.

Les Editions deu Cerf (Paris), frz. Buchhandel, theologische Uni-Bücherei

Bíblia sagrada, in der neu überarbeiteten portugiesischen Übersetzung von João Ferreira de Almeida, Ausgabe 1968

João Ferreira de Almeida (gestorben 1691) hat als erster die ganze Bibel ins Portugiesische übersetzt.

Sociedade bíblica (Lissabon), port. Buchhandel, theologische Uni-Bücherei

Biblia hebraica, Hrsg. Rudolf Kittel

Seit 1937 ein Standardwerk, evangelisch-theologisches Handwerkszeug. Es enthält den von den wichtigsten protestantischen Kirchen anerkannten Kanon von Texten des Alten Testaments.

Die in diesem Buch  vorgenommene durchgängige Vokalisierung der Texte geht auf die Arbeit der Massoreten des 9.-10. Jahrhunderts zurück. Die Vokalisierung war nötig geworden, weil außer einigen Gelehrten allmählich niemand mehr die originale Aussprache der Texte kannte und der völlige Verlust dieses Wissens verhindert werden sollte.

amazon.de (broschiert, gebunden), theo­lo­gische Uni-Bücherei

Gesenius, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch, 17. Auflage 1962

Das Wörterbuch für das gesamte Alte Testament.

amazon.de, theologische Uni-Bücherei

Oskar Grether, Hebräische Grammatik für den akademischen Unterricht, Ausgabe 1955

Auch für Einsteiger, aber altphilologische Vorkenntnisse sind nicht von Schaden.

Evangelischer Presseverband für Bayern, theologische Uni-Bücherei

Diethelm Michel, Tempora und Satzstellung in den Psalmen, Habilitationsschrift 1960

Diese Schrift untermauert die vielen Bibelübersetzern intuitiv bekannte Tatsache, das die beiden hebräischen „Tempora“ („Perfekt“ und „Imperfekt“) nicht in das indogermanische Zeitraster passen, sondern meist ganz andere Dinge als Zeit ausdrücken.

Bouvier & Co. Verlag (Bonn), Buchhandel, theologische Uni-Bücherei

Lambert / Dimansky, L’hébreu moderne en 40 leçons, Ausgabe 1991 (in französischer Sprache)

Das ist ein Anfängerkurs in modernem Hebräisch für den Alltagsgebrauch.

Presses Pocket, frz. Buchhandel

Hans-Rudolf Hower 2003

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Häufige Fragen - Webmaster

Letzte Aktualisierung: 06.04.16