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Willkommen
Bei einem ausgiebigen Spaziergang im ehemaligen Judenviertel von Pest, gleich hinter der Synagoge, sind wir auf die folgende Gedenktafel gestoßen. Sie war an einer der Außenseiten des großen, damals stark heruntergekommenen Gebäudekomplexes angebracht, den man die Gojdu-Höfe nennt.
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Originaltexte
Zum besseren Überblick habe ich hier den ungarischen und den rumänischen Text voneinander getrennt nebeneinander gestellt.
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Übersetzungen
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Emanuil Gojdus Testament
Emanuil Gojdu hat testamentarisch verfügt, dass sein ganzes Vermögen in eine Stiftung eingehen soll, die dann in seinem Namen mit Hilfe der Erbschaft einerseits die rumänische orthodoxe Kirche und andererseits rumänischstämmige junge Leute fördert.
Kommentar
Die biografischen Daten der Inschrift kann man gemäß den Internet-Seiten des rumänischen Außenministeriums (s. u.) dahin ergänzen, dass Emanuil Gojdu seine politische Tätigkeit dazu nutzte, für die Vereinigung der rumänischen Kirche im Banat und in Siebenbürgen (Transsylvanien), für die Emanzipation der Rumänen sowie für die Gründung eines rumänischen Gymnasiums in Lugoj zu kämpfen. Seine Richtertätigkeit am Obersten Gerichtshof begann erst im Jahr seines Todes.
Im 19. Jahrhundert, zu Gojdus Lebzeiten, gehörte Transsylvanien (Siebenbürgen), d.h. ein großer Teil des heutigen Rumänien, zu Ungarn, das selbst wiederum zum österreichisch-ungarischen Reich gehörte. Die orthodoxen Rumänen dieser Gegend lebten also als Minderheit in einem deutsch- und ungarischsprachigen, teils römisch-katholischen, teils protestantischen Umfeld, in dem sie ihre Kultur und Religion behaupten mussten. (Mehr Info zu den Konfessionen...) Dies erklärt Emanuil Gojdus politische Aktivitäten und auch den Inhalt seines Testaments. Als ein Ergebnis des Ersten Weltkriegs wurde dieses Reich aber durch den Friedensvertrag von Trianon zerschlagen, und Siebenbürgen gehörte fortan zu Rumänien. Dies änderte grundlegend die völkerrechtliche Situation und die Machtverhältnisse zwischen Ungarn und Rumänen, denn jetzt lebten auf einmal sehr viel mehr Ungarn als Minderheit im größer gewordenen Rumänien, als Rumänien in Rest-Ungarn. Daraus ergab sich zwischen den beiden Ländern viel Konfliktstoff, der durch die Jahre der Nazi-Herrschaft weiter kompliziert und auch durch die zeitweilige sozialistische Bruderschaft nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wirklich beseitigt wurde. Die staatlich verordneten Enteignungen brachten im Gegenteil ein weitere Komplikation für die Zukunft mit sich. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Strukturen brachen die alten Konflikte zunächst wieder auf, wurden aber auf dem gemeinsamen Weg in die Europäische Union zunehmend entschärft und einer Lösung nähergebracht.
Einer der jahrzehntelangen Konflikte zwischen Rumänien und Ungarn war auch die Frage der Vollstreckung des Testaments von Emmanuil Gojdu. Nach seinem Tod wurde, wie vom Testament verlangt, eine private Gojdu-Stiftung zur Verwaltung des Erbes und Durchführung der vom Testament geforderten Fördermaßnahmen für die Rumänen gegründet. Diese legte das Gojdu-Vermögen um die Wende zum 20. Jahrhundert großenteils in einem rd. 5 000 qm großen Gebäudekomplex (den Gojdu-Höfen, ungarisch: Gozsdu udvar) in Budapest an (zwischen Király utca, Holló utca und Dob utca). Durch die dann folgenden Weltkriegswirren, den politischen Verwerfungen und deren juristischen Folgen hörte die Gojdu-Stiftung in Ungarn juristisch auf zu existieren, wurde aber im jetzt rumänischen Sibiu (Hermannstadt) dennoch weitergeführt. Doch wurden die Gojdu-Höfe 1952 von Ungarns kommunistischem Regime verstaatlicht und der Budapester Stadtverwaltung übergeben.
Seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime bemühten sich die rumänische Regierung, die rumänische orthodoxe Kirche und die Hermannstädter Gojdu-Stiftung um Rückgabe der Gojdu-Höfe. Es ging dabei um viel Geld sowie um nationale Identität und Ansprüche. Dementsprechend hartnäckig waren die Verhandlungen, in denen jede Partei sich auf dieselben Papiere stützte, aber diese zu ihren Gunsten auslegte. Ausführlichere Informationen über die Sache und ihre Geschichte finden Sie in den Internet-Seiten des rumänischen Außenministeriums (s. u.).
Im Jahre 2002, als die hier beschriebene Tafel angebracht wurde, war man einer Lösung des Problems bereits sehr nahe gekommen. Erfreulich war vor allem, dass Ungarn und Rumänien, wie diese Tafel zeigt, die Existenz eines gemeinsam zu bewahrenden Kulturerbes anzuerkennen begonnen hatten.
Inzwischen (2005) wurde eine öffentliche rumänisch-ungarische Stiftung namens Gojdu mit Sitz in den Budapester Gojdu-Höfen gegründet, deren Ziel die Förderung der Jugend beider Länder und die Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern ist. Diese neue Stiftung wird in den Internet-Seiten des rumänischen Außenministeriums ausführlich vorgestellt (Zur Kurzvorstellung mit Navigationshilfen...). Die neue Stiftung darf nicht mit der jetzt in Sibiu (Hermannstadt) ansässigen und in der hier beschriebenen Inschrift genannten Gojdu-Stiftung verwechselt werden. In den mir vorliegenden Papieren wird ausdrücklich festgehalten, dass die Hermannstädter Gojdu-Stiftung neben der öffentlichen rumänisch-ungarischen Stiftung Gojdu weiter existieren und tätig sein wird. Dass sich daraus neuer Konfliktstoff - v. a. für die rumänische Innenpolitik - ergibt, zeigen die Internet-Seiten des rumänischen Außenministeriums mehr als deutlich.
Aus den mir vorliegenden Dokumenten ergibt sich für mich komplexes und sicher kontrovers zu diskutierendes Bild der Rollenverteilung in diesem Konflikt. Weitere Informationen...
Die Gojdu-Höfe 2007 Da die Gojdu-Höfe seit Langem einem schleichenden Verfall anheimgegeben waren (bereits 2003 habe ich sie in einem mehr als desolaten Zustand gesehen), stehen nicht nur (angeblich geringe) Rückkaufkosten an, sondern vor allem teure Sanierungs- und Umbaumaßnahmen, die bereits jetzt (2007) ein heißes innenpolitisches Thema in Rumänien sind. Man spricht zwar von Erhaltung der Fassaden, aber bei Entkernung und völliger Neustrukturierung der Innenräume. |
Die Gojdu-Höfe 2008 Die Renovierung und Umstrukturierung der Höfe und der dazugehörigen Gebäude ist im Früjahr dieses Jahres in vollem Gang. Ebenso der Verkauf und die Vermietung der entstehenden Luxuswohnungen und Geschäftsräume. Eine kleine Bild- und Inschriftendokumentation sowie weitere Internet-Verweise dazu bietet unsere Seite Gojdu-Höfe 2008. Von den eigentlich auch vorgesehenen gemeinnützigen Einrichtungen habe ich nichts gesehen. Das kann jedoch daran liegen, dass das ganze Gelände eine riesige Baustelle war und ich daher nicht überall Zugang hatte. |
Eine weitere, wenn auch (2003) provisorische Inschrift, die nicht nur vor dem Hintergrund der historischen rumänisch-ungarischen Beziehungen zu sehen ist, sondern einen Teil der Lösung des Problems der Gojdu-Erbschaft darstellt, befindet sich unweit der Gojdu-Tafel in derselben Straße; Näheres hierzu finden Sie unter Rumänische orthodoxe Kirchengemeinde.
Internet
Beachten Sie bitte unsere rechtlichen Vorbehalte für alle Internet-Verweise.
Adresse / Eigner |
Inhalt / Themen |
[Impressum war am 18.08.08. leer.] |
Umfangreiche und reich bebilderte Dokumentation des Immobilienprojektes (auf Ungarisch und Englisch) mit detaillierter Präsentation der zu verkaufenden oder zu vermietenden Wohnungen und Geschäftsräume und deren aktuellem Status (frei/vergeben) sowie einer (teilweise nur virtuellen) Photogalerie. |
Weitere Internet-Verweise zum Thema finden Sie auf den Seiten Wer spielt welche Rolle in der Gojdu-Frage? und Gojdu-Höfe 2008.
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Ob Zimmer, Appartment, Ferienwohnung, Ferienanlage (Resort),
Pension, Hotel oder sonst eine Unterkunft, HINWEIS: Bei booking.com angekommen, können Sie nach Klicken auf Suche alle voreingestellten Suchfilter nach Belieben ändern. |
Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Zur Anreise nach Budapest siehe Inschriften in Budapest.
Um zum ehemaligen Judenviertel zu gelangen, steigt man an der Station Deák tér oder Astoria aus. Es handelt sich um das Viertel, das an der der Donau abgewandten Seite der Károly körút beginnt. Die Gojdu-Höfe liegen zwischen Kiraly utca, Holló utca und Dob utca.
Hinweis: Geht man am südlichen Ende der Dob utca nach links in die Károly körút, kommt man nach wenigen Metern zur Hauptsynagoge und zum jüdischen Museum. Siehe hierzu Inschriften Hauptsynagoge von Budapest.
Angaben zur Anreise entsprechen unseren persönlichen Kenntnissen oder sogar Erfahrungen, aber wir können keinerlei Verantwortung für ihre Richtigkeit übernehmen. Wenn Sie diese Seite lesen, können sich in der Wirklichkeit Veränderungen ergeben haben.
Danke!
Viel zur Vertiefung des Themas beigetragen haben Hinweise einer aufmerksamen Leserin aus Bukarest, die nicht namentlich genannt werden will.
Hans-Rudolf Hower 2003
Letzte Aktualisierung: 04.04.16