Pfeil: Sprung zur allgemeinen Startseite Pfeil: Sprung zu den französische Seiten Pfeil: Sprung zur nächsthöheren Ebene

Bild: Sonderaktion ein/aus

Datenschutz

Französische Sprache

Ein Hauch von Germanien

Wer sind wir? Kontakte Zusammenarbeit Lageplan
Französische Sprache < Romanische Sprachen < Sprachen < Themenkreise < Willkommen

Diskussion

Kontakt

 

Lach und Lern

Wenn Sie mal über die französische Sprache gleichzeitig nachdenken und lachen wollen, dann lesen Sie doch mein Buch Zwischen Saurierpark und Zukunftsmusik!
Eine Kurzbeschreibung des Buchs finden Sie unter Meine Veröffentlichungen.

Nach einer alten Schulweisheit gibt es im Französischen zwei Arten von h. Das eine ist unbehaucht, kommt vom Latein und wird behandelt, als ob es nicht da wäre (wird also nicht gesprochen). Deshalb schreibt man z.B. „l’haleine“ und sagt „l’aleine“. Das andere ist behaucht, kommt vom Germanischen und ist beim Sprechen auf keinen Fall auszulassen. Deshalb schreibt und spricht man z.B. „le héraut“, wobei man von dem h selbst zwar ebenfalls nichts hört, aber seine Anwesenheit verhindert die „liaison“, d.h. die Verkürzung des Artikels und das lautliche Verschmelzen der beiden Wörter.

Dass die Wirklichkeit etwas komplexer ist als das, was man den Schülern so erzählt, sieht man schon daran, dass zwar „haleine“ letztendlich vom lateinischen Verb „anhelare“ abstammt, aber nur indirekt, denn es wurde wohl vom französischen Verb „halener“ aus gebildet, das zwar von „anhelare“ kommt, aber trotzdem mit einem behauchten h anfängt: „je halène“...

Und „héraut“ ist der einzige behauchte „Ausrutscher“ in einer ansonsten durchweg unbehauchten Wortfamilie: siehe „héraldique“ und andere.

Aber es kommt noch schlimmer: Man sagt und schreibt tatsächlich „l’hinterland“ und „l’hitlérisme“ trotz des germanischen h, aber „le huguenot“, obwohl der Hugenotte vom deutschen „Eidgenossen“ kommt, der überhaupt nicht mit h anfängt...

Lassen wir die Statistik sprechen, mit der man bekanntlich alles beweisen kann. Die dabei zu Grunde gelegten französischen Wörter wurden unter Behauchtes h im Französischen (alphabetische Wortliste) zusammen gestellt und unter Behauchtes h im Französischen (Wörter nach Sprachgruppen) nach Herkunft sortiert.

Unter Inkaufnahme einiger möglicher Ungenauigkeiten kann man folgende Herkunftstabelle der so genanntes behauchtes h enthalten­den französischen Wörter aufstellen:

 

Herkunft

Absolute Zahl

Relativer Anteil

Germanisch

273

54,2 %

Romanisch (letztlich Latein)

84

16,7 %

Germanisch-romanische Kreuzung

40

7,9 %

Lautmalerei

27

5,4 %

Semitisch (Arabisch, Hebräisch)

25

5,0 %

Herkunft umstritten oder unbekannt

15

3,0 %

Griechisch

12

2,4 %

Ungarisch

11

2,2 %

Sonstige (Afrikanisch, Chinesisch, Hindi, Japanisch, Karibisch, Persisch, Slawisch, Tatarisch, Türkisch)

17

3,3 %

Summe

504

100 %

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Man sollte keine Statistik unkommentiert lassen. Daher einige Bemerkungen zu Obigem:

Der hohe Anteil germanischer Wörter zeigt, dass die eingangs erwähnte Schulweisheit nicht ganz falsch ist. Wenn man aber aus der Tabelle all die Wörter entfernte, die zwar aus hochliterarischen oder historischen Gründen noch in den französischen Wörterbüchern stehen, aber vom heutigen französischen „Mann (oder Frau) auf der Straße“ nicht mehr benutzt werden, käme man nicht nur auf eine bedeutend geringere Gesamtzahl von Fällen, sondern es fielen unverhältnismäßig viele germanische Wörter weg, obwohl neuerdings durch die steigende Tendenz zum „Franglais“ über das amerikanische Englisch vermehrt neue germanische Ausdrücke ins Französische eindringen.

Interessanterweise wird das h der dem modernen Englisch entnommenen Wörter wie "handicap" und "handicaper" zwar laut Wörterbuch behaucht, aber zumindest bei „les handicapés“ besteht die Tendenz, die Behauchung aufzugeben. So deutsche Wörter wie „hinterland“, „hitlérien“ und „hitlérisme“ wurden dagegen nie behaucht. Warum? Hier tritt die wichtigste Regel aller Sprachentwicklung in Kraft: „Es ist eben so.“ Es ist nicht immer erklärlich, warum der Volksmund sich in eine bestimmte Richtung statt in eine andere entwickelt. Einen Denkansatz kann „le haricot“ vermitteln: Dieses Wort hat in der scherzhaft-saloppen Redewendung „Il me court sur l’haricot!“ (Er geht mir auf die Nerven!) die Behauchung verloren. Und irgendwann (in Jahrzehnten, in Jahrhunderten?) steht es dann wohl auch so im Wörterbuch...

Erstaunlich sind jedoch die große Zahl behauchter h romanischer Abstammungen. Da zur Zeit der Abzweigung der französischen Volkssprache vom Latein das lateinische h schon lange nicht mehr gesprochen wurde, besteht hier Erklärungsbedarf.

Einer der Gründe für die unerwartet hohe Zahl der Wörter lateinischen Ursprungs mit behauchtem h ist der volkstümliche sprachliche Kuddelmuddel, sprich: die Kreuzung lateinischer Wörter mit denen anderer Herkunft. Man muss sich das so vorstellen, dass zwei Wörter verschiedener Herkunft einige Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte nebeneinander gebraucht werden, sich wegen ähnlicher Aussprache im alltäglichen Gebrauch gegenseitig beeinflussen und letztlich zu einer Art Nachkommen verschmelzen, der Eigenschaften aus beiden ursprünglichen Wörtern besitzt. Und wie bei lebenden Wesen kann der Nachkomme mal mehr der Mutter, mal mehr dem Vater ähneln - oder auch wie ein Transvestit aussehen. So kam z.B. das lateinische „altum“ (gesprochen [altu], dann [aut], schließlich [o]) zu seinem behauchten h vom gleichbedeutenden germanischen „hoch“ (gesprochen [hox], dann [ho], schließlich [’o]).

Die hohe Zahl der germanisch-romanischen Kreuzungen kommt in der Tat hauptsächlich von der sagenhaften Karriere eines einzigen Wortes, das sich zu einer weitverzweigten Familie ausgebreitet hat, nämlich lateinisch „altum“ (hoch). Nach Meinung derer, die es wissen müssen, wurde dieses Wort durch die Kreuzung mit dem altfränkischen Wort, von dem das neuhochdeutsche „hoch“ abstammt, zum jetzigen französischen „haut“. Die Familie reicht von der „hausse“ der Börsianer über die Oboe (hautbois) der Musiker, den „haut-commissaire“ der UNO, den „haut-le-corps“ zu schneller Autofahrer, den „haut-parleur“ sämtlicher Bahnhöfe und 22 andere Ausdrücke bis zum „hauturier“ der Marine. Die drei weiteren Kreuzungen betreffen das lateinische „hasta“ (Lanze), sind jedoch im Zeitalter des Atom- und Computerkrieges technologisch veraltet...

Ein weiterer Grund für „behauchtes“ h in Wörtern lateinischer Herkunft besteht darin, dass die Eigenheit der „liaison“, d.h. der engen lautlichen Verbindung aufeinander folgender Wörter im Satz, nicht in allen romanischen Sprachen im gleichen Maß und in einigen überhaupt nicht besteht. Wenn also ein lateinisches Wort, wie oft geschehen, nicht direkt vom Latein, sondern auf dem Umweg über das Spanische zum Französischen gelangt ist, erscheint das h als „behaucht“, d.h. liaison-verhindernd, obwohl es im Spanischen diese Funktion gar nicht hatte. Im Spanischen kommt es auch dann nicht zur „liaison“ mit dem Artikel, wenn das Substantiv mit einem Selbstlaut anfängt (z.B. „la origen“).

Das normalerweise nicht gesprochene und wegen der fehlenden Übung nur mit einem ungewohnten Aufwand an Kraft und Atem hervorzubringende h bietet sich im Französischen auch heute noch für aus­drucksvolle, aggressive oder lustige Lautmalereien an. Dies erklärt den hohen Anteil von lautmalerischen Ausrufen und davon abgeleiteten Wörtern.

Bei den arabischen und hebräischen, d.h. semitischen Ausdrücken sind nur „hammam“, „harem“, „harissa“, „harki“, „hasard“ samt Ableitungen, „ha(s)chi(s)ch“ und „henné“ allgemein gebräuchlich. Die restlichen gehören den Spezialisten. Lautlich besteht hier kein Problem, denn in den semitischen Sprachen wird das h wirklich ausgesprochen (sogar in bis zu drei Varianten). Es ist also „normal“, dass im Französischen ein behauchtes h daraus wurde.

Auch das Ungarische kennt (nur) ein behauchtes h. Außerdem kamen ungarische Wörter u.U. auf Umwegen über germanische Sprachen, v.a. das Deutsche, ins Französische. Auch hier hat die Behauchung im Französischen eine Berechtigung.

Anders das Griechische: Wie das Lateinische hat das Griechische den Laut h (der dort übrigens nie als eigener Buchstabe, sondern nur als Akzent über einem Vokal oder dem Konsonanten rho existiert hat) bereits früh verstummen lassen. Was man im Neugriechischen heute als h hören kann, ist in Wirklichkeit der Buchstabe chi, der lautlich zu h abgeschwächt wurde. Warum dann das behauchte h im Französischen? Ein Beispiel (la harasse) stammt tatsächlich von einem chi (charax), doch die anderen Fälle können nur als gelehrte oder kirchliche Ausdrücke zu ihrem behauchten h gekommen sein. Bei „le héro“ gibt es außerdem die „volksetymologische“ Deutung, daß man nur auf diesem Wege „les héros“ von „les zéros“ unterscheiden kann... Vielleicht hat „man“ also nur deshalb bei „l’héroïne“ auf die Behauchung verzichten können, weil bei einer Heldin der Abstand zur Null klar war? Und was ist mit der Verwechslungsgefahr, die mit der Droge Heroin besteht? Die gleiche Verwirrung herrscht bei der behauchten Hierarchie (Wörter auf hiérarch-), die den unbehauchten Heiligtümern (Wörter auf hiéro-) gegenübersteht, obwohl beide vom selben griechischen Adjekiv für „heilig“ stammen.

Bei den unter „Sonstige“ vertretenen Sprachen steuert jede einzelne nur wenige Beispiele behauchter h bei. Man müsste bei jeder dieser Sprachen prüfen, ob es in ihr wirklich ein solches h gibt (gegeben hat) bzw. auf welchem Weg die Behauchung im Französischen zustande gekommen ist. Doch ist diese ganze Sprachengruppe hier statistisch nicht sehr relevant.

Ein oft schwer nachzuvollziehendes Phänomen besteht darin, dass Wörter und Redeweisen oft auf dem Weg über eine dritte Sprache oder sogar weitere Sprachen ihren Weg ins Französische gefunden haben und von den Eigenheiten der "Gastsprachen" etwas an ihnen hängen geblieben ist. Dies trifft nicht nur auf Wörter weit entfernter Länder zu (z.B. aus Amerika, Ostasien), sondern auch innerhalb Europas wurde und wird ständig bei Nachbarn, Vormächten und Lieblingsnationen kreuz und quer ausgeliehen und übernommen. Was taugt dann z.B. noch die Aussage, dass ein Wort lateinischen Ursprungs ist, wenn es nach jahrhundertlangem germanischem „Exil“ nach Frankreich gekommen ist?

Schlussfolgerung

Die eingangs zitierte Schulweisheit, nach der das behauchte h im Französischen von der germanischen Herkunft der betreffenden Wörter kommt, stimmt nur in etwas mehr als der Hälfte der Fälle (54,2 %). Dazu kommen noch 7,9 % germanisch-romanische Kreuzungen. Der germanische Einfluss wirkt sich also in rund 62 % der Fälle aus.

Daneben gibt es ungefähr 7-11 % von Fällen (je nach Einordnung der noch zu untersuchenden „sonstigen“ Sprachen), die durch die Herkunft von anderen, ein behauchtes h aufweisenden Sprachen bedingt sind, sowie 5,4 % „hausgemachte“ Lautmalereien.

Obwohl das Latein zur Zeit der Ausbildung der romanischen Sprachen gar kein behauchtes h mehr kannte, trägt es immerhin 16,7 % der Fälle von behauchtem h bei. Wegen seines Anteils an den germanisch-romanischen Kreuzungen (7,9 %) kommt das Latein sogar auf einen beachtenswerten Gesamtanteil von 24,6 %.

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Literatur

Gehen Sie zu Ihrem Lieblingsportal von amazon! Am günstigsten ist es in der Regel, wenn Sie das Portal verwenden, das im selben Land wie die Lieferadresse zuhause ist. Sie können nach verschiedenen Kriterien suchen (z.B. Warenkategorie, Autor, Titel, ISBN / ASIN). Ein Kaufzwang besteht zu keiner Zeit.

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Meine persönlichen Tipps

Autor / Titel

Anmerkungen

Info / Kauf

Hans-Rudolf Hower, Zwischen Saurierpark und Zukunftsmusik

In diesem Buch, das viele Denk- und Merkwürdigkeiten der französischen Sprache bespricht, finden Sie auch den hier präsentierten Artikel über das behauchte h (h aspiré).

Siehe Besprechung.

Dictionnaire historique de la langue française, bei Le Robert, Hrsg. Alain Rey

Ein sehr umfangreiches französisches Standardwerk.

Siehe Besprechung.

Wolfgang Reumuth und Otto Winkelmann, Praktische Grammatik der französischen Sprache

Meine Lieblingsgrammatik für den ständigen Gebrauch.

Siehe Besprechung.

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Literatursuche

Nutzen Sie das Suchfeld Ihres Lieblingsportals von amazon! Am günstigsten ist es in der Regel, wenn Sie das Portal verwenden, das im selben Land wie die Lieferadresse zuhause ist. Sie können nach verschiedenen Kriterien suchen (z.B. Warenkategorie, Autor, Titel, ISBN / ASIN). Ein Kaufzwang besteht zu keiner Zeit.

A m a z o n - P o r t a l e

amazon.at

(Vorzugsweise für Österreich)

amazon.ca

(Vorzugsweise für Kanada)

amazon.com

(Vorzugsweise für die USA)

amazon.co.uk

(Vorzugsweise
für Großbritannien)

amazon.de

(Vorzugsweise
für Deutschland, Liechtenstein,
Luxemburg und die Schweiz)

amazon.es

(Vorzugsweise
für Spanien)

amazon.fr

(Vorzugsweise
für Frankreich)

amazon.it

(Vorzugsweise
für Italien)

Unsere eigenen Buchbesprechungen
finden Sie unter
Meine persönliche Bibliothek.

Hans-Rudolf Hower 2004

Pfeil: Sprung zum Seitenanfang

Häufige Fragen - Webmaster

Letzte Aktualisierung: 04.04.16