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Der Mensch ist ein Herdentier, und dies stimmt auch für sein sprachliches Verhalten. Von klein auf übt sich das menschliche Gehirn unter Mithilfe der Ohren, der Augen, der Sprechwerkzeuge und später auch der schreibenden Hände darin, sprachliche Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und auch weiterzugeben. Die Französischsprechenden aller Art, ob in Frankreich, in der Schweiz, in Belgien oder in den überseeischen französischen Sprachgebieten, bilden da keine Ausnahme. Nur so ist eben gewährleistet, dass jedes Mitglied der Sprachgemeinschaft mit den anderen Mitgliedern Botschaften, Erfahrungen, Warnungen und Meinungen austauschen kann.
Was sich im individuellen Spracherlernungsprozess abspielt, funktioniert genau so beim kollektiven Prozess der Erfindung und Weiterentwicklung einer gemeinsamen Sprache für die Gemeinschaft. Mit der Erweiterung und Vertiefung des Denkvermögens und des angesammelten Wissens wird die Sprache immer komplexer, so dass sich mit der Zeit gewisse Strukturen herausbilden müssen, die als mnemotechnische Stützen den Menschen bei ihren Kommunikationsprozessen helfen. Typischerweise ist dieser Drang zur Vereinheitlichung, zum Konformismus, am größten bei weniger oft benutzten Teilen der Sprache, während ständig gebraucht Formen oft über Jahrtausende unregelmäßig bleiben können, weil die ständige Benutzung sie in den Köpfen der Sprechenden, der Hörenden und - später - der Lesenden und Schreibenden präsent hält. Daher sind z.B. die unregelmäßigsten Zeitwörtern, welche die Schüler am meisten ärgern, sehr oft gerade die ständig gebrauchten.
Da die französische Sprache eine der vielen Töchter des Lateinischen ist, können wir die Strukturen der lateinischen Sprache des Mittelalters, vor allem diejenigen der lateinischen Volkssprache, als gegebenen Ausgangspunkt einer nachvollziehbaren eigensprachlichen Entwicklung des Französischen und damit unserer Untersuchung annehmen.
Gewiss unterliegt das Französische auch anderen, vor allem germanischen und einigen keltischen Einflüssen, doch hinterlassen diese ihre Spuren hauptsächlich im Wortschatz, während die allgemeinen Sprachstrukturen (Deklination, Konjugation usw.) weitgehend lateinisch geprägt bleiben. Daraus folgt, dass auch das moderne Französisch weiterhin eine romanische Sprache bleibt, obwohl viele Sprachwissenschaftler sie als die unromanischste aller romanischen Sprachen bezeichnen.
Im Folgenden werden wir Ihnen einige besonders wichtige, interessante oder kuriose Fälle vorstellen, in denen sich der sprachliche Konformismus auf die Entwicklung der französischen Sprache ausgewirkt hat. Falls Sie weiteren interessanten Fällen begegnen sollten, tragen Sie bitte zur Weiterentwicklung dieser Seite bei, indem Sie Ihre Entdeckungen uns melden! Vielen Dank im Voraus!
Ein formaler Hinweis: Dass bei lateinischen Ursprungswörtern im Folgenden oft ein eingeklammertes m am Ende steht, rührt daher, dass die französischen Wörter, soweit sie vom Latein herkommen, sich in ihrer großen Mehrheit aus dem Akkusativ (Wen-Fall) der lateinischen Wörter entwickelt haben, dessen Schluss-m aber schon im Latein allmählich verloren ging.
Wortarten
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Adjektive |
Zwischen Adjektiven und Substantiven gibt es im Französischen viele Gemeinsamkeiten. Sogar das Nebeneinander männlicher und weiblicher Formen kommt bei beiden vor, wenn es auch bei Adjektiven häufiger ist.
Trotz aller Anstrengungen von
Linguisaurus declinix
hat die Deklination (Beugung) der französischen Adjektive zum Ausgang des Mittelalters
eine ähnliche Formenvereinfachung und -angleichung erfahren wie diejenige der meisten
Substantive. Nur war das Ergebnis radikaler. In Einzahl und Mehrzahl überlebten nur
die Formen des altfranzösischen casus obliquus (der alle lateinischen Fälle
außer dem Nominativ ersetzt hatte), so dass bei den meisten Eigenschaftswörtern die
Deklination sich auf die Unterscheidung von Einzahl und Mehrzahl (letztere mit -s
oder - viel seltener - mit -aux)
beschränkte. Zwischen Nominativ und Akkusativ wurde fortan formal überhaupt
nicht mehr unterschieden, und die anderen Fälle wurden durch Präpositionen (Vorwörter,
hauptsächlich de und à) ausgedrückt, soweit dies für Adjektive überhaupt
eine Rolle spielte.
Wie bei den
Substantiven gibt es bis heute auch bei den Adjektiven die von Schülern gehassten
Ausnahmen auf -al, von denen einige den Plural auf -aux
bilden. Während diese Formen der normalen französischen Lautentwicklung entsprechen,
kann man ihre Schreibweise am besten mit dem Wirken des üblen
Linguisaurus orthographix
erklären. Doch sind die Fronten bereits aufgeweicht: Unter dem Konformismusdruck
bilden einige Adjektive die Mehrzahl bereits auf -als (z.B. banal,
naval). Das wird Schule machen!
Auch für die doppelt gemoppelte männliche Einzahlform der Adjektive auf -eux ist
Linguisaurus orthographix
verantwortlich.
Wie bei den französischen Substantiven hat sich auch bei
den Adjektiven unter dem
Konformismusdruck ein zweigeschlechtliches System durchgesetzt. Begünstigt durch die
große Zahl der bereits im Latein gleichlautenden männlichen und sächlichen Formen ging
das lateinische sächliche Geschlecht (Neutrum) formal vollständig im männlichen
Geschlecht (Maskulinum) auf. Sogar die sächlichen Pluralformen (die nach der normalen
französischen Lautentwicklung eigentlich wie die weiblichen Pluralformen, aber ohne
-s aussehen müssten) wurden radikal mit den männlichen Formen gleichgesetzt. Hier
hat sich der Konformismus voll durchgesetzt.
Die weiter bestehenden Reste sächlicher Bedeutung (Semantik) werden von den Franzosen nicht mehr als solche empfunden. Wie auch? Ihnen wurde in der Schule immer gesagt, es gäbe nur männlich und weiblich! Und formal werden auch diese Dinge, soweit die Adjektive betroffen sind, ausschließlich mit männlichen Formen ausgedrückt. Beispiele:
Etwas anders sieht die Sache bei den
Pronomina (Fürwörtern) aus.
Bei den französischen Adjektiven, deren männliche Form in der Einzahl auf einen
Konsonanten (Mitlaut) endet, hat sich unter dem Konformismusdruck über weite Bereiche
eine einheitliche
weibliche Form durchgesetzt, die auf ein sogenanntes stummes -e (Mehrzahl
-es) endet, ein blasses Abbild des zugrunde liegenden lateinischen -a(m)
(Mehrzahl -as). (Dieses stumme -e bzw. -es ist entgegen seinem
Namen nicht überall in Frankreich stumm. Unter dem Einfluss des Okzitanischen wird es
in weiten Teilen Südfrankreichs immer noch ausgesprochen.)
Zu dieser Gruppe gehören die adjektivisch gebrauchten Partizipien (Mittelwörter)
der Gegenwart sowie die Adjektive mit präsenspartizip-ähnlicher Endung. Sie hat es am
schlimmsten erwischt, denn aufgrund des Konformismusdrucks
bilden sie heutzutage ausnahmslos weibliche Formen auf -e [Einzahl] und
-es [Mehrzahl],
obwohl dies aufgrund ihrer Herkunft her nicht zu erwarten war. Im Latein kannten diese
Wörter keinen Unterschied zwischen männlich und weiblich. Beispiele:
Sogar das sehr häufig gebrauchte Adjektiv grand, das im Latein ebenfalls keinen
Unterschied zwischen männlich und weiblich kannte, wurde diesem System unterworfen.
Nur in einigen feststehenden Ausdrücken ist die ursprüngliche weibliche Form von
grand ohne -e erhalten geblieben.
Linguisaurus feminix
lässt grüßen!
Ebenfalls dem Konformismusdruck zur Bildung sprachhistorisch unmotivierter
weiblicher Formen erlegen sind viele Eigenschaftswörter nach folgendem Muster:
Zu dieser Gruppe gehören: antérieur, citérieur, extérieur, intérieur, majeur, meilleur, mineur, postérieur, supérieur, ultérieur.
Auf anderem Wege zu einem unhistorischen konformistischen Ergebnis kommen viele
Eigenschaftswörter auf -eur, die eine Tätigkeit ausdrücken und weibliche
Formen auf -euse(s) bilden. Beispiel:
Es handelt sich hier um eine Zwittergruppe, deren Mitglieder oft in gleicher Bedeutung als Substantiv und als Adjektiv verwendet werden können. Viele Beispiele hierzu bietet Transformationsregel für die französische Endung -euse (unter Ausnahmen).
Heute gibt es immer noch Adjektive, die sich, was das weibliche Geschlecht angeht, dem
Konformismusdruck widersetzen. Dazu gehören:
Falls Ihnen Fragen, Anregungen oder Berichtigungen auf dem Herzen liegen, schreiben Sie uns bitte! Vielen Dank im Voraus!
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Adverbien |
Bei den abgeleiteten Adverbien hat sich unter dem herrschenden Konformismusdruck das
Ableitungsmuster auf -mente so gut wie völlig durchgesetzt. Da lateinisch
mente(m) weiblich ist, setzt die Ableitung bei der weiblichen Adjektivendung an,
die ihrerseits bereits das Ergebnis eines Konformismusdrucks sein kann (siehe
oben). Beispiele:
Auch der herrschende Konformismus konnte nicht verhindern, dass einige Adverbien hier
ausscheren, indem sie so tun, als ob sie von Perfektpartizipien abgeleitet würden.
Beispiele:
Ausnahmen sind die Adverbien auf -amment oder -emment, denn sie werden
nicht von der (u.U. konformismusbedingten) weiblichen Partizip- oder Adjektiv-Endung
aus gebildet, sondern von der älteren, historisch gewachsenen und für Männlein und
Weiblein gleichen Endung -ant bzw, -ent. Siehe hierzu auch
Linguisaurus adverbialix.
Beispiele:
Achtung: Nicht zu jedem Partizip Präsens oder partizip-ähnlichen Adjektiv kann ein solches Adverb gebildet werden! Sie stellen eine geschlossenen Liste dar und sind in einem Wörterbuch wie Larousse einzeln aufgeführt.
Die Ausnahmeregel, dass bei auf -é endenden Adjektiven (das sind meist
Perfektpartizipien) das Adverb nicht von der weiblichen, sondern von der männlichen
Form abzuleiten ist, hängt eng mit dem starken Lautschwund des Französischen zusammen.
Von der weiblichen lateinischen Endung -ata(m) blieb bereits im Altfranzösischen
nur -ee übrig. Mitten im Wort sah das komisch aus, und außerdem wurde nur einer
der Selbstlaute noch ausgesprochen.
Da hat man eben die Schreibung vereinfacht und auch auf andere Konjugationen ausgedehnt
(Beispiele: forcément, infiniment, éperdument), was bis heute
geblieben ist.
Falls Ihnen Fragen, Anregungen oder Berichtigungen auf dem Herzen liegen, schreiben Sie uns bitte! Vielen Dank im Voraus!
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Kardinalzahlen |
Im Lateinischen konnten die Einer- und Zehnerzahlen ab der Zahl 21 auf zwei formal
unterschiedliche, aber bedeutungsgleiche Weisen miteinander verbunden werden, nämlich
entweder nach dem Muster viginti unu(m) oder nach dem Muster unus et
viginti. Das Französische hat sich konformistisch für das erstere entschieden
und letzteres vollständig fallen lassen. Vollständig? Bei den Zahlen 21, 31. 41, 51
und 61 hat sich ein neuer Konformismus ergeben, der die Wortfolge des zweiten
lateinische Modells umdreht, nämlich unu(m) et viginti -> vingt-et-un.
Die lateinische Gewohnheit, die beiden letzten Zahlen einer Zehnerreihe (-8 und -9)
als Abzug von der nächsten Zehnerzahl darzustellen, wurde im Französischen von 18 ab
konformistisch ersetzt durch Weiterzählen bis 9. Dadurch ergaben sich für die Zahlen
21 - 69 regelmäßige Einerreihen folgender Art:
Dieses wunderbar durchgängige System wird im Französischen gleich durch mehrere
sprachliche Saurierhinterlassenschaften gestört, nämlich:
Die Zahlen 11 - 19 folgen unterschiedlichen Modellen. 11 - 16 scheren aus, indem sie
die alten lateinischen
Ein-Wort-Zahlen undecim -> onze, duodecim -> douze,
tredecim -> treize, quattuordecim -> quatorze,
quindecim -> quinze und sedecim ->seize übernehmen, die auch im
Latein schon Saurier waren. Nur die lateinischen Saurier septendecim (17),
duodeviginti (18) und undeviginti (19) werden dem Konformismus des
neuen Zahlensystems
geopfert und durch dix-sept, dix-huit bzw. dix-neuf ersetzt.
Die Zahlen 70 - 99 folgen einem alten keltischen 20er-System, verwenden innerhalb dessen
allerdings einerseits die obigen lateinischen Saurier für die Zahlen 71 - 76
(soixante-et-onze usw.) und 91 - 96 (quatre-vingt-onze usw.) und
andererseits die konformistischen französischen Zahlen für 77 - 79
(soixante-dix-sept usw.) und 97 - 99 (quatre-vingt-dix-sept usw.).
Siehe auch Linguisaurus numerix.
Bei den 100er-Zahlen wurde das synthetische lateinische System, das jede dieser Zahlen
durch ein einiges Wort ausdrückte (centum, ducentos, trecentos
usw.), vollständig durch ein konformistisches analytisches System abgelöst, das
jeden mehrfachen Hunderter mit Hilfe eines vorangestellten Multiplikationsfaktors
ausdrückt (cent, deux cent[s], trois cent[s] usw.).
Die ebenfalls einheitlich analytisch ausgedrückten 1000er-Zahlen des Französischen
(mille, deux mille, trois mille usw.) kommen nicht von einem
französischen Konformismus, sondern sind das treue Abbild des alten, bereits
seinerseits konformistischen lateinischen Systems.
In der nicht von der Einzahl unterscheidbaren Mehrzahlform von mille kann man
sogar ein Werk von
Linguisaurus numerix sehen.
Millionen, Milliarden und mehr werden im modernen Französisch konsequent konformistisch
durch Ableitungen von mille mit Hilfe der vergrößernden Wortbildungssuffixe
-on und -ard ausgedrückt, z.B. million, milliard. Dennoch
liegt hier kein original französischer Konformismus vor, sondern ein importierter
italienischer. Die Italiener haben das Bankwesen erfunden und sich die dazu
benötigten großen Zahlen geschaffen. Andere Völker - so auch die Franzosen - haben
das einfach übernommen. (Hier kann man genüsslich diskutieren, ob die Italiener somit
an der 2008er Banken- und Wirtschaftskrise schuld sind. Hätten sie damals nicht ...)
Der schlagende Beweis der italienischen Herkunft der Millionen usw. liegt übrigens im
Ableitungssuffix. Im Französischen ist -on normalerweise ein
Verkleinerungssuffix (französische Tierkinder heißen typischerweise aiglon,
caneton, oisillon usw.), während das italienische -one vergrößert
(wie in millione, omone, risatone).
Falls Ihnen Fragen, Anregungen oder Berichtigungen auf dem Herzen liegen, schreiben Sie uns bitte! Vielen Dank im Voraus!
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Ordinalzahlen |
Bei den französischen Ordinalzahlen hat sich - außer bei der Zahl 1 - ein völlig
konformistisches System gebildet, das die Ordnungszahl mit Hilfe des Suffixes
-ième (von lateinisch -esimu(m)) aus der Grundzahl ableitet. Hierfür
standen wohl die lateinischen 10er und 100er Ordnungszahlen Pate (z.B.
vicesimu(m),
tricesimu(m), quadragesimu(m), centesimu(m) usw.
Zum Verbleib der alten lateinischen Ordnungszahlen siehe
Linguisaurus numerix.
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Unbestimmte Zahlwörter |
Manche unbestimmten Zahlwörter des Französischen wurden im Lauf der Geschichte durch
andere Wortarten ersetzt, an die die zu bemessende Menge mit der Präposition
de angehängt wurde. Das daraus entstandene, bei aller Diversität konformistische
Modell wird auch heute noch reichlich angewandt. Beispiele:
Das Modell kam im Mittelalter vor allem durch seine Anwendung auf Verneinungen zu großer Blüte und Vielfalt, denn für jede Menge wurde ein möglichst gut passendes Substantiv verwendet. Näheres siehe Verneinung.
Nur wenige unbestimmte Zahlwörter konnten sich dem allgemeinen Konformismusduck
entziehen und werden weiterhin wie attributive Adjektive verwendet. Beispiele:
Das Wort plusieurs (mehrere) gehört zwar auch hierher, aber es kommt nur in der
Mehrzahl vor und ist wegen der geschlechtsneutralen Endung (scheinbar) ein Fall für
Linguisaurus feminix.
Der heute von allen Französischlernenden gefürchtete, weil unregelmäßige
Ausdruck bien des (viele) bereitet nur deswegen Schwierigkeiten, weil er
bedeutungsmäßig in die Nähe der Mengenangaben gerutscht ist, obwohl er nur ein Beispiel
für die Verwendung von Adverbien (Umstandswörtern) ist. Formal gehört er immer noch zu
letzteren. Der auf bien folgende Teilungsartikel des hängt überhaupt
nicht von dem Adverb ab und steht daher in voller Schönheit und Größe da. Man
vergleiche:
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Pronomina |
Sagen wir es gleich zu Beginn: Nicht alles, was wir Deutschen als Fürwörter bezeichnen, wird von den Franzosen heute so bezeichnet. Im Gegensatz zur deutschen Grammatik hat sich die französische bereits stark von der lateinischen abgenabelt - und das trotz des romanischen Charakters dieser Sprache. Viele Fürwörter werden von den in Frankreich entstandenen Grammatiken heute zwar als Adjektive besonderer Art, aber eben als Adjektive bezeichnet - was ihrer Stellung im Satz durchaus entspricht.
Bei den Personalpronomina (persönlichen Fürwörtern) ist vor allem ihr verändertes
Rollenverständnis zu vermelden. Im Latein nur zur Betonung der Person gedacht, wurden sie
im Französischen zur allgemeinen Personenunterscheidung bei Zeitwörtern und dem
schleichenden Umbau des Verbalsystems von einem endungsbestimmten zu einem
präfixbestimmten instrumentalisiert. Näheres siehe bei
Verben.
Die freigewordene Funktion der Betonung der Person musste daher von
besonders betonten und möglichst auch formal zu unterscheidenden Personalpronomina
übernommen werden. So kam es zur Entstehung von moi, toi, lui
und eux. Nur elle, nous, vous und elles blieben
lautgleich mit ihren unbetonten Formen.
Ein heftiger Sonderfall ist das Pronomen leur, denn einerseits hat
es sich für die 3. Person Plural
konformistisch ausgebreitet über die Personalpronomina (persönlichen Fürwörtern) und
die Possessivpronomina (besitzanzeigenden Fürwörter), aber andererseits ist es ein
echter Saurier, für den
Linguisaurus declinix
verantwortlich zeichnet.
Bei den Relativpronomina (bezüglichen Fürwörtern) hat ständiger Konformismusdruck dazu
geführt, dass das eigentlich örtliche Fragewort où - das von französischen
Grammatiken bereits als Relativpronomen geführt wird - immer mehr Funktionen des
Relativpronomens qui übernimmt. Derzeit sind hauptsächlich präpositionale
Verbindungen betroffen, doch zeichnet sich am Horizont, wenn auch noch schwach, das
Bild einer zukünftigen französischen Sprache ab, in der es nur noch ein einziges
Relativpronomen gibt, nämlich où. Qui vivra verra...
Ansonsten ist von den Relativpronomina vor allem Saurisches zu berichten.
Siehe hierzu
Linguisaurus declinix.
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Substantive |
Zwischen Substantiven und Adjektiven gibt es im Französischen viele Gemeinsamkeiten. Sogar das Nebeneinander männlicher und weiblicher Formen kommt bei beiden vor, wenn es auch bei Adjektiven häufiger ist.
Trotz aller Anstrengungen von
Linguisaurus declinix
hat sich im modernen Französisch ein konformistisches Deklinationssystem durchgesetzt.
In Einzahl und Mehrzahl haben nur die Formen des altfranzösischen casus obliquus
überlebt (der alle lateinischen Fälle außer dem Nominativ ersetzt hatte), so dass bei
den meisten Hauptwörtern die Deklination sich auf die Unterscheidung von Einzahl
und Mehrzahl (letztere mit -s oder - viel seltener - mit -x)
beschränkte. Zwischen Nominativ und Akkusativ wurde fortan formal überhaupt
nicht mehr unterschieden, und die anderen Fälle wurden durch Präpositionen (Vorwörter,
hauptsächlich de und à) ausgedrückt. Die weiter bestehenden
Ausnahmen, die
den Plural auf -x bilden, wurden von uns als Missetaten des
Linguisaurus orthographix
entlarvt.
Im Rahmen der Gleichberechtigungsdebatte kam der Gedanke auf, dass man auch für Berufe,
zu deren männlicher Bezeichnung es aus historischen Gründen kein weibliches Gegenstück
gab, ein solches Gegenstück erfinden müsse. Es kam so zu sprachgeschichtlich nicht
nachzuvollziehenden Neubildungen wie auteure (Autorin). Daraus hätte sich ein
neuer Konformismus entwickeln können. Doch inzwischen hat sich die
Gleichberechtigungsdebatte um 180° gedreht, und die FrauenrechtlerInnen verfechten nun
die entgegengesetzte Strategie, dass nämlich auch für Frauen die männlichen
Berufsbezeichnungen genommen werden sollen, da die weibliche Bezeichnung einer
Geringschätzung Vorschub leisten könnte. Vor allem könnte wie bei der vieldiskutierten
boulangère der Gedanke aufkommen, es handle sich nicht um eine diesen Beruf
ausübende, also qualifizierte Frau, sondern um die Ehefrau des eigentlichen Profis!
Dies ist der offizielle Stand der sprachlichen Dinge. Aber wer weiß, wie lange! Näheres
siehe
Linguisaurus feminix.
Soll man in den verbleibenden Resten weiblicher Berufsbezeichnungen einen andauernden
Konformismus oder die Spur eines bisher nicht identifizierten Gegenspielers des
Linguisaurus feminix - also
eines ominösen Linguisaurus femivax - sehen? Jedenfalls wurden gewisse weibliche
Berufsbezeichnungen (immer noch) nicht ausgerottet. Vielleicht wirkt hier einfach die
sprachliche Beharrungskraft des häufigen Gebrauchs. Beispiele:
Bei allem Verständnis für die hier oft aufgeworfenen sozialen Fragen sollte man m.E. unterscheiden zwischen der notwendigen politischen Korrektheit einer Stellenanzeige und den praktischen Bedürfnissen des Alltags. Es ist einfach schneller und bequemer, wenn man in einem Gespräche mit einem einzigen Wort sagen kann, dass das Kind von einer Lehrerin - und nicht von einem Lehrer - unterrichtet wird oder dass man sich lieber einer Ärztin als einem Arzt anvertraut hat. Deshalb werden viele weibliche Berufsbezeichnungen wohl noch lange in Mündern und Ohren sein.
Bei den Bezeichnungen männlicher und weiblicher Tiere konnte sich kein konformistisches
System zur Ableitung des einen aus dem andern durchsetzen. Die wenigen existierenden
Ableitungsbeispiele (bei denen die Ableitung teils schon im Latein, teils erst im
Französischen stattfand), sind bisher unter sich geblieben. Beispiele:
Der einzige wirklich weit verbreitete Konformismus auf diesem Gebiet ist der Zusatz mâle bzw. femelle bei Tieren, von denen keine geschlechtsspezifischen Bezeichnungen existieren oder von denen einem gerade keine einfällt. Dabei kann es zu kuriosen Zusammenstößen zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht kommen. Beispiele:
Bei Wild und den meisten Nutztieren gibt es althergebrachte, meist nicht voneinander
herleitbare Bezeichnungen für das männliche, das weibliche und oft auch für das junge
Tier (manchmal gestaffelt nach Alter), dazu oft eine weitere Bezeichnung für das Tier
als menschliche Nahrung. Doch dies ist ein Fall für
Linguisaurus musaeix.
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Verben |
Ein gewaltiger Konformismusdruck hat es so weit gebracht, dass das französische
Konjugationsmodell in weiten Teilen von einem endungsbestimmten zu einem
präfixbestimmten umgebaut wurde. Am weitesten ging diese sprachliche Revolution in
der gesprochenen Alltagssprache. Man vergleiche:
Gegenwart |
Vergangenheit |
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Schrift |
Aussprache |
Schrift |
Aussprache |
je travaille tu travailles il travaille on travaille vous travaillez ils travaillent |
je travaille tu travaille il travaille on travaille vous travaillez ils travaille |
je travaillais tu travaillais il travaillait on travaillait vous travailliez ils travaillaient |
je travaillai tu travaillai il travaillai on travaillai vous travailliez ils travaillai |
In Gegenwart, Vergangenheit und Konditional der regelmäßigen Vollverben ist nur die 2. Person Plural noch durch ihre Endung bestimmt, während in allen anderen Personen die Endung lediglich die Zeit unterscheidet. Zugegeben, im Futur, bei den Hilfsverben avoir und être sowie bei einigen unregelmäßigen Verben ist die Lage (derzeit noch) etwas komplexer. Doch hat sich der Trend bereits so weit durchgesetzt, dass im Französischen das Personalpronomen unverzichtbarer Teil der personenbezogenen Formen des Verbs geworden ist - im Gegensatz zu anderen romanischen Sprachen.
Im Latein endeten die Partizipien (Mittelwörter) der Gegenwart je nach Konjugationstyp
auf -ante(m), -ente(m), -iente(m) oder (ausnahmsweise)
-unte(m). Unter dem herrschenden Konformismusdruck wurde daraus im Französischen
eine einheitliche Endung -ant. Beispiele:
Einige wenige vom Lateinischen übernommene Adjektive, die formal wie Partizipien
(Mittelwörter) der Gegenwart aussehen, haben sich im Französischen der Anpassung ihrer
Endung -ent an das grassierende -ant widersetzt. Beispiele:
Vergessen wir hier nicht einen wichtigen Konformismus: Alle französischen
Präsenspartizipien sind absolut undeklinierbar, anders als die von Präsenspartizipien
abgeleiteten Adjektive (und im Unterschied zum lockerer damit verfahrenden
Italienischen). Dasselbe Wort kann dabei fallweise als Partizip oder als Adjektiv
auftreten.
Beispiele für Partizipien:
Dagegen Adjektive:
Eselsbrücke: Ein Präsenspartizip tritt in der Regel in Verbindung mit einem Objekt auf, ein Adjektiv nie.
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Negation |
Alle französischen Verneinungen bestehen heute aus der Kombination der eigentlichen
Negation ne (des lateinischen non) mit einem positiven Wort, das
allmählich die negative Bedeutung des ne auf sich selbst zog und schließlich
auch ohne ne als Verneinung benutzt wurde. Im Mittelalter gab es eine offene
Liste solcher Verneinungsverstärker. Heute sind davon nur noch die
allgemeinen pas (Schritt) und rien (Sache), die literarischen oder
regionalen point (Punkt), mot (Wort) und goutte (Tropfen) sowie
das attributive aucun (irgendein) in Gebrauch.
Später ging diese Übertragung der negativen Bedeutung noch weiter. Ausgehend von ne ... pas du tout (als Ersatz für das nur noch regionale oder literarische ne ... point) erfasste sie auch das alleinstehende du tout (überhaupt nicht).
Zu der kuriosen Wortform rien siehe
Linguisaurus declinix.
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Syntax |
Die Folgen des Zusammenbruchs des alten Deklinationssystems (siehe
Substantive) waren dramatisch. Das
lateinische System mit seinen sechs Fällen ermöglichte eine sehr freie Satzstellung,
da über die Deklinationsform jedes einzelnen Wortes dessen Funktion im Satz immer klar
war (jedenfalls den Römern; bei heutigen Lateinschülern liegt die Sache etwas anders).
Schon das altfranzösische Zwei-Fälle-System brachte da Probleme mit sich, die nur
durch einen gewissen Konformismus der Wortstellung im Satz zu überwinden waren. Den
Wegfall der Unterscheidung zwischen Nominativ (Wer-Fall) und Akkusativ (Wen-Fall)
glaubten die französischen Grammatiker dann nur durch Festlegung strikter
Satzstellungsregeln kompensieren zu können.
Randbemerkung: Verwandte Sprachen, die vor einem ähnlichen Problem standen (z.B. das Italienische), haben hier flexiblere Lösungen gefunden. Aber diese widersprachen wohl dem cartesianischen Geist der französischen Gelehrten.
Auf jeden Fall kam es in Frankreich zu der unter Französischlernenden berühmt-berüchtigten SPO-Regel (das hat nichts mit der SPÖ zu tun, sondern heißt Subjekt-Prädikat-Objekt-Regel) und den mannigfachen Klimmzügen, die man heute machen muss, um Sonderfälle wie Fragen oder freie direkte Rede in dieses Korsett zu pressen. Beispiele:
In der Alltagssprache haben die Franzosen ein (auch wieder konformistisches)
Allheilmittel gegen diese Komplikationen
gefunden, nämlich die Fragewörter esque, quesque und ouesque, die
der Legende nach ein ausländischer Student vergeblich im Wörterbuch suchte, obwohl er
sie ständig auf der Straße und in der Uni hörte. Beispiele:
Bei der Betonung einzelner Satzglieder spielt neben dem Untergang des alten
Deklinationssystems der Wegfall des Wortakzents im Französischen eine Rolle. Dadurch
ist man heute gezwungen, Dinge formal auszudrücken, für die zuvor eine verstärkte
oder besondere Betonung bestimmter Wörter reichte. Man muss also einem neuen
Konformismus - oder Formalismus - huldigen. Zur Erleichterung Aller werden auch hier
die ominösen Fragewörter im Stil von esque gern benutzt. Beispiele:
Eine angeblich der clarté de la langue française dienende Regel tut sehr vielen
heutigen Franzosen ziemlich weh. Beziehungsweise nicht, denn sie ignorieren sie
einfach. Es geht um den sakrosankten accord du participe passé. Die Regel hört
sich zunächst einmal (relativ) einfach an:
Das scheint erlernbar, bringt aber gewichtige Probleme mit sich:
Das Ergebnis hört man täglich: Immer weniger Franzosen scheren sich einen Dreck um diese Grammatikgeschichten. Der accord du participe passé ist dabei, zum sprachlichen Saurier zu mutieren. Bitte (noch) nicht nachmachen!
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Literatur
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Anmerkungen |
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Siehe Besprechung. |
Wolfgang Reumuth und Otto Winkelmann, Praktische Grammatik der französischen Sprache |
Meine Lieblingsgrammatik für den ständigen Gebrauch. |
Siehe Besprechung. |
Hans Rheinfelder, Altfranzösische Grammatik |
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Gerhard Rohlfs, Vom Vulgärlatein zum Altfranzösischen |
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K. Voretsch und G. Rohlfs, Einführung in das Studium der altfranzösischen Sprache |
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Larousse, Nouveau dictionnaire étymologique |
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Letzte Aktualisierung: 04.04.16