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Diese Seite stellt diejenigen meiner Bücher vor, die zur ungarischen Literatur gehören. Darunter verstehe ich Bücher, deren Original in ungarischer Sprache geschrieben wurde. Diese Klarstellung ist wichtig, da einerseits Ungarn als Folge des Ersten Weltkriegs im Vertrag von Trianon große Teile seines damaligen Staatsgebiets an Nachbarländer (vor allem Rumänien) abtreten musste, so dass viele inländische Schriftsteller plötzlich zu Ausländern wurden, und andererseits viele ungarische Autoren ihrem Land aus politischen Gründen den Rücken kehrten und im Exil die Sprache des Gastlandes annahmen bzw. dort als folgende Exilgeneration schon in der Sprache des Gastlandes aufwuchsen.

Wenn Sie Französisch verstehen, können Sie nach Klicken auf „Français“ hier oben links weitere Leseerfahrungen mit ungarischer Literatur lesen.

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Darvasi, László

László Darvasi (Darvasi László auf Ungarisch), Jahrgang 1962, ist Schriftsteller und Journalist. Für die Literaturzeitschrift Élet és Irodalom (Leben und Literatur) schreibt er seit 1993 über Fußballreportagen, TV-Kritik und Feuilletons. Er benützt oft die Pseudonyme Ernő Szív und Eric Moussambani.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: László Darvasi.

Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter László Darvasi.

     

László Darvasi, Wenn ein Mittelstürmer träumt. Meine Weltgeschichte des Fußballs

Schräger fußballerischer Weltalmanach, ungarischer Originaltitel: Titokzatos világválogatott (Geheime Weltauswahl), gelesen auf Deutsch.

Fußballern muss man alles zutrauen. Sie haben eine ganz eigene Sicht auf die Welt, und ein Großteil ihres Gehirns wird von dem berühmt-berüchtigten runden Ball eingenommen. Daher geschehen in ihrem Leben auch unglaubliche Dinge, und sie verhalten sich überhaupt nicht wie normale Menschen. Durch die Existenz der Fußballergattinnen werden die Merkwürdigkeiten nur noch verstärkt, denn diese spielen außerhalb des Spielfeldes ein ganz eigenes Spiel.

Aber nicht jeder Fußballer gleicht den anderen. Der Posten prägt den Mann. Ein linker Innenverteidiger ist ein anderer Mensch als rechter Außenverteidiger oder gar ein Mittelstürmer, ganz zu schweigen vom Torwart. Jeder spinnt auf seine Weise (Pardon!). Da bleiben auch die Linienrichter und der Mann in Schwarz nicht außen vor.

László Darvasi erzählt die unglaublichsten Geschichten aus der ganzen Welt des Fußballs und verschont niemanden vor seinem oft makabren und hintergründigen Humor. Viele berühmte Gestalten der Fußballgeschichte müssen daran glauben.

Dass László Darvasi sich dabei nicht unbedingt an die platte Wirklichkeit des Rasenspiels hält, illustriert ein neuer Eintrag in unsere Zitatensammlung unter dem Titel Am Anfang war der Satz.

Fazit: Wer sich in der Fußballweltgeschichte etwas auskennt und vom aktiven oder passiven Fußballfieber gepackt ist, wer also selbst auf dem Fußballfeld steht, als Mitglied eines Fan-Clubs seinem Verein auch nach der 3857. Niederlage in Folge die Treue hält, das Wunder von Bern miterlebt hat oder zumindest regelmäßig Toto tippt, hat sicher am meisten von diesem Buch, aber selbst für mich als fußballerisch Unternormalschwachbegabten war diese Lektüre ein Genuss, bei dem ich manchmal laut lachte, aber vor allem ständig grinsen musste.

[hrh 01.12.09]

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László Darvasi, Wenn ein Mittelstürmer träumt

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Esterházy, Péter

Péter Esterházy (Esterházy Péter auf Ungarisch) wurde 1950 als Sohn einer bedeutenden ungarischen Adelsfamilie geboren, die von den Kommunisten enteignet worden war. Nach einem Mathematikstudium arbeitete er zunächst als EDV-Spezialist, bevor er als Schriftsteller tätig wurde. Zunächst wurde er mit kleineren Werken bekannt, die durch ihre besonderen Prosatechniken brillierten (wie auch Fancsikó und Pinta). Er gilt daher als einer der großen Autoren der Postmoderne. Sein Hauptwerk wurde dann aber Harmonia Caelestis (Näheres bei amazon.de/at), in dem er anhand der Geschichte seiner Familie ein preisgekröntes ungarisches und europäisches Panorama schuf (dem er eine Verbesserte Ausgabe nachschob, als er erfuhr, dass sein Vater mit dem ungarischen Geheimdienst der Kommunisten zusammengearbeitet hatte).

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: Péter Esterházy.

Mehr über den Autor bieten die dt. Wikipedia unter Péter Esterházy und Katharina Maier, Die berühmtesten Dichter und Schriftsteller Europas (Näheres zu Letzterem bei amazon.de/at).

     

Péter Esterházy, Fancsikó und Pinta

Untertitel: Geschichten auf ein Stück Schnur gefädelt, ungarischer Originaltitel: Fancsikó és Pinta: írások egy darab madzagra fűzve (gleichbedeutend mit dem deutschen Titel und Untertitel), gelesen auf Deutsch.

Wie der Untertitel verrät, handelt es sich um eine lose aufgereihte Folge von Geschichten. Diese werden einerseits durch das Gesamtthema, nämlich Episoden aus dem Leben der Familie des Ich-Erzählers und andererseits durch die Person des Ich-Erzählers, eines kleinen Jungen, und seinen kritischen Blick auf das familiäre Geschehen zusammengehalten. Es fehlt jedoch, was man eine durchgängige Romanhandlung nennen könnte.

Wenn man von der Person des Ich-Erzählers spricht, so stimmt das nicht ganz, denn diese Person erfindet sich von Anfang an zwei ständige Begleiter, die ständig in ihrer Nähe sind, nur von ihr selbst wahrgenommen werden und die Ereignisse mal gauklerisch, mal altklug kommentieren oder zumindest, wie es heißt, vom Rand der Fantasie des Ich-Erzählers aus mit betrachten. Der kleine Junge braucht sie, um die spannungsgeladene Atmosphäre seines zerrütteten Elternhauses zu ertragen. In den Worten des Autors (im Vorwort des Buches): „Fancsikó und Pinta waren meine Freunde, dabei sind sie nichts anderes als zwei Pole meiner damaligen Denkweise, meiner Wünsche und Anstrengungen - in der Verzerrung meines heutigen Wissens und im Licht meines Unwissens.“

Fazit: Das Buch ist literaturtheoretisch hochinteressant, denn es steht in einer Linie mit anderen Versuchen des 20. Jahrhunderts, Inhalt und Struktur des Romans als herkömmlicher literarischer Gattung zu überwinden. Aber die Präsentation der Inhalte in einer Art intellektuell be- oder überfrachteten Tüpfelmalerei mag nicht jeder mögen. Ein Tipp: Das Buch gewinnt sehr beim zweiten Durchlesen (was bei seinem geringen Umfang kein Problem sein dürfte).

Eine stark psychologisierende Rezension des Buchs bietet übrigens www.sandammeer.at.

Ein ketzerischer Gedanke zum Abschluss: Man sollte sich mal Gedanken machen über Parallelen zwischen Fancsikó / Pinta und Pumuckl! Nein, das meine ich sogar ernst, bei aller Verschiedenheit der Werke! Auch andere Kobolde und Märchenfiguren haben eine ähnliche Funktion wie die esterházy'schen.

[hrh 09.09.10]

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Péter Esterházy, Fancsikó und Pinta

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Hász, Róbert

Róbert Hász (Hász Róbert auf Ungarisch) wurde 1964 in der ungarischen Minderheit der Voivodina (Ex-Jugoslawien) geboren, lebt aber seit 1991 in Szeged, wo er als Autor und Redakteur der Literaturzeitschrift Tisztatój arbeitet. Drei Romane von ihm wurden bereits ins Deutsche und ins Französische übersetzt.

Mehr über den Autor bietet derzeit (August 2010) auch Wikipedia nicht.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: Róbert Hász.

     

Róbert Hász, Der Herrscher der Seelen

Historischer Abenteuerroman, ungarischer Originaltitel: A künde (in etwa gleichbedeutend mit dem deutschen Titel), gelesen auf Französisch (Le prince et le moine [Der Herrscher und der Mönch]).

In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts wird Alberich, ein Mönch des Klosters St. Gallen, mit der ehrenvollen Aufgabe vertraut, die Biografie des während einer päpstlichen Mission verschollenen und für tot erklärten Stephanus Pannonicus zu schreiben, um dessen Heiligsprechung vorzubereiten. Noch vor Verfassung der Hagiografie erfährt Alberich jedoch, dass Stephanus noch lebt und sich in den Wäldern nahe dem Kloster verborgen hält. Dieser erzählt ihm die wahre Geschichte seiner Mission, und die ist grundverschieden von der offiziellen Version. Daher schreibt Alberich zwei Fassungen, eine offizielle (verfälschte) und eine persönliche (wahre und geheim zu haltende). Der größte Teil der Romanhandlung gibt diese geheime Geschichte wieder, wie sie Stephanus selbst erzählt haben soll.

Stephanus Pannonicus wurde von seinem Abt mit einer Botschaft des Papstes ins Donau-Theiß-Becken (Pannonien, das heutige Ungarn) geschickt, um die Ungarn (auch Magyaren oder Turken genannt und oft mit den Hunnen und den Türken verwechselt) für eine Allianz gegen den deutschen Kaiser zu gewinnen. Dieses Angebot musste für die immer noch von der vernichtenden Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld traumatisierten Ungarn höchst verlockend sein. Doch kaum hat Stephanus die Ostgrenze des Deutschen Reiches überschritten, gerät die Mission außer Kontrolle, weil er von den mit den Ungarn verbündeten warägischen Grenztruppen gefangengenommen wird und ihm keiner den Zweck seiner Reise glauben will. Bald gerät er noch dazu mitten in die Machtkämpfe, die sich die ungarischen Stämme und Machthaber untereinander liefern. Mehrere Kriegsherren versuchen aus der Anwesenheit dieses westlichen Mönchs, der verdächtigerweise ungarische Sprachkenntnisse und ein ungarisches Herrschaftssymbol besitzt, seinen eigenen Nutzen zu ziehen. Dies hat eine abenteuerliche und lebensgefährliche Reise durch ganz Pannonien und über dessen Ostgrenze hinaus zur Folge, die Stephanus allmählich zu seinen eigenen Wurzeln führt und ihm eine für sein künftiges Leben einschneidende Entscheidung abverlangt. Und dann kommt alles anders als gedacht...

Die Rahmenhandlung, nämlich Alberichs biografische Tätigkeit, kommt dann zu einem furiosen Finale, das endlich klärt, wer in dieser Geschichte der Verräter und wer der wahre „Herrscher der Seelen“ war.

Fazit: Der normale West- und Mitteleuropäer weiß von der älteren ungarischen Geschichte gerade mal, dass die schnellen Reiter und Bogenschützen der Ungarn lange Zeit ganz Europa mit Angst und Schrecken überzogen, bevor sie auf dem Lechfeld endgültig geschlagen wurden und nie wieder einen Angriff wagten. In diesem Roman lernt man nicht nur die Geschichte von ungarischer Seite aus kennen, sondern macht auch eine Reise durch die Mythen und Legenden dieses Volkes, und das alles mit Hilfe eines spannenden Abenteuerromans. Da im 10. Jahrhundert die Landnahme in Pannonien und die erste Staatsgründung der Ungarn unter so bekannten Führern wie Árpád, Géza und dem später heiliggesprochenen István (Stephan) stattfanden, hätte hier leicht ein nationalistischer Roman entstehen können, aber Róbert Hász hat diese Klippe gut umschifft. Absolut lesenswert!

Titel: Wie im Roman nachzulesen, bestand bei den Ungarn bis ins 10. Jahrhundert eine Art Doppelherrschaft, in der sich der Herrscher des Krieges (gyula) und der Herrscher der Seelen (künde) die Macht teilten. Der Herrscher der Seelen vertrat dabei mehr die nachdenkliche, sorgende, geistige Seite der Macht. Auch auf Stammesebene gab es diese Zweiheit, deren zwei Seiten dort Herr des Krieges (hadúr) und Herr der Gnade (kegyúr) hießen. Im Roman wird die Doppelherrschaft vom Árpád-Klan mit Gewalt zerstört; der amtierende künde Kurszán wird getötet und sein Klan vertrieben.

Französische Übersetzung von Chantal Philippe: Historische Dinge zu übersetzen ist ein hartes Brot, daher Hut ab vor dieser Übersetzerleistung! Leider hat die Übersetzerin aber versäumt, sich eine durchgängige Transkribierungsmethode für ungarische Ausdrücke zu erarbeiten, was für ein gewisses Durcheinander bei manchen Lauten führt. So taucht der deutsche und ungarische Laut „u“ mal als „u“, mal als „ou“ auf, während deutsches und ungarisches „ü“ mal „u“, mal „ü“ geschrieben wird.

[hrh 16.08.10]

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Róbert Hász, Der Herrscher der Seelen

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Illyés, Gyula

Gyula Illyés (Illyés Gyula auf Ungarisch), der aus einer Schafhirtenfamilie stammt, hat den sozialen Aufstieg zum Intellektuellen und Schriftsteller geschafft, aber darüber seine Heimat, die Puszta, verloren.

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Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter Gyula Illyés.

     

Gyula Illyés, Die Puszta

Autobiographisch geprägter Bericht, gelesen auf Deutsch.

Wegen seines eher dokumentarischen Charakters wird dieses Buch unter (Auto-)Biografien & Erinnerungen eingehend besprochen.

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Kertész, Imre

Imre Kertész (Kertész Imre auf Ungarisch) wurde 1929 in Budapest geboren und wurde als jüdisch-ungarischer Schriftsteller stark von seinem Aufenthalt in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald geprägt. Er erhielt 2002 den Nobelpreis für Literatur.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: Imre Kertész.

Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter Imre Kertész.

     

Imre Kertész, Roman eines Schicksallosen

Autobiographisch gefärbter Roman, gelesen auf Deutsch. Ungarischer Originaltitel: Sorstalanság (Schicksallosigkeit). Geschrieben ist der Roman in Form einer Autobiografie der Hauptfigur.

Ein vierzehnjähriger jüdischer Junge aus Budapest gerät in die Fänge der ungarischen Handlanger der Nazis und wird von diesen an die deutschen Nazis übergeben, die ihn zu einem „Arbeitseinsatz“ ins KZ Auschwitz und dann in eine Reihe anderer KZ verfrachten. Der Begriff „Fracht“ ist hier durchaus angebracht, denn alle Menschentransporte finden in vollgepferchten Viehwagen statt. Der Junge erlebt und überlebt das alles mit einem Gemisch aus naivem Staunen, gutbürgerlicher Erziehung und eigener Nachdenklichkeit, weshalb er mit eher unerwarteten Eindrücken und Gefühlen die KZ-Welt durchwandert und schließlich heimkehrt. Und genau da ist wohl das Problem, das Imre Kertész viel Unverständnis und sogar Anfeindung einbrachte.

In seinem damals kommunistischen Heimatland Ungarn versuchte man den Roman erst einmal totzuschweigen. Einerseits hatte Kertész die Mitschuld seiner Landsleute nicht unter den Teppich gekehrt, andererseits hatte er den kommunistischen Widerstand im KZ Buchenwald nicht genügend glorifiziert, und vor allem hatte er - d.h. in Wirklichkeit: seine Hauptfigur - nicht die erwartete himmelschreiende Entrüstung gegenüber dem Erlebten gezeigt. Der Held des Romans beendet sein Buch mit einer Beschreibung von Momenten des Glücks im Lagerleben - und der Erwartung des Unverständnisses der Leser.

Kertész hält das Kunststück konsequent durch, seinen Helden das Universum der KZ nur aus einem begrenzten Blickwinkel und nur nach und nach kennenzulernen - und die Entstehung dieser Einsichten auch nach der Rückkehr in die fremd gewordene Heimat weitergeben zu wollen. Für einen aufmerksamen Leser kommt es so zu einem höchst eindrucksvollen Auseinandersetzung mit der KZ-Gefangenschaft - und mit der Schuld der Daheimgebliebenen. Aber man muss manchmal genau und auch zwischen den Zeilen lesen.

Genau genommen, ist Kertész Roman eine Ode an das Leben und das Glück. Der KZ-Heimkehrer drückt das so aus: „[...] es gibt keine Absurdität, die man nicht ganz natürlich leben würde, [...] sogar dort, bei den Schornsteinen, gab es in der Pause zwischen den Qualen etwas, das dem Glück ähnlich war.“

Fazit: Das ist eines der wichtigsten und lesbarsten Bücher über die rassistischen Nazi-Verbrechen. Jeder sollte es gelesen haben.

[hrh 16.03.10]

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Imre Kertész, Roman eines Schicksallosen

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Imre Kertész, Liquidation

Roman, gelesen auf Deutsch. Ungarischer Originaltitel: Felszámolás (Liquidierung).

Der Budapester Verlagslektor Keserű kommt aus einer Sitzung der Firmenleitung und eröffnet seinen Kollegen, dass der Verlag aufgelöst, liquidiert werden wird. Er nimmt nur noch den zur Bearbeitung anstehenden schriftstellerischen Nachlass seines verstorbenen Freundes Bé vom Schreibtisch, um diesen vor Vernichtung, der Liquidierung zu retten, blättert in den losen Blättern des hinterlassenen Schauspiels und beginnt zu lesen: Da kommt ein Budapester Verlagslektor namens Keserű aus einer Sitzung der Firmenleitung und eröffnet seinen Kollegen, dass der Verlag liquidiert werden wird. Er nimmt nur noch den zur Bearbeitung anstehenden schriftstellerischen Nachlass seines verstorbenen Freundes Bé vom Schreibtisch, um diesen vor der Liquidierung zu retten, blättert in den losen Blättern des hinterlassenen Schauspiels und beginnt zu lesen: Da kommt ein Budapester Verlagslektor namens Keserű...

Nein, weiter geht Kertész erst einmal nicht in der Bildung neuer Ebenen der Wirklichkeit (der sogenannten Wirklichkeit), aber aus dem Manuskript des Theaterstückes ergibt sich, dass Bé, der ausgerechnet im KZ Auschwitz geborene und nur durch einen Trick der (sogenannten?) Wirklichkeit der Vernichtungsmaschinerie entronnene Bé, einen (verschollenen? sogenannten?) Roman geschrieben hat, und da begibt sich Keserű (welcher?) auf die Suche, vor allem bei den Frauen, mit denen Bé im Laufe seines Lebens zusammengelebt hat. Und mit denen auch Keserű (welcher?) im Laufe seines Lebens zeitweise zusammengelebt hat. Keserű wird den Inhalt des Romans erfahren, aber nicht damit glücklich werden...

Ständig fließen die Handlungen der verschiedenen Ebenen der (sogenannten?) Wirklichkeit mit denen des Theatermanuskripts und denen des (verschollenen, aber vermuteten, sogenannten?) Romans ineinander, bis es zu einer (sogenannten?) Lösung des Problems kommt. Die keine Lösung sein kann, denn im Leben nach Auschwitz gibt es kein Leben, keine Lösungen mehr. Bé hat den einzigen noch offenstehenden Weg genommen: Selbstmord. Und sein Roman?

Die Übersetzung von Laszlo Kornitzer und Ingrid Krüger liest sich gut.

Fazit: Hauptthema des Buches ist die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit der Überlebenden von Auschwitz, die von ihnen empfundene Schuld ihres Überlebens abzutragen und ein sogenanntes normales Leben in dieser von Mördern besiedelten Welt zu führen. Die Erfahrung von Auschwitz war so wahnwitzig, dass sie nicht erzählbar ist und auch die neue Wirklichkeit nach dem Holokaust irreale Züge erhält. Daraus zieht Kertész in seinem (sogenannten?) Roman radikal die Konsequenzen. Die literarische Form zerfällt ebenso wie das (sogenannte?) Leben.

Wer bereit ist, Kertész auf dem verschlungenen Weg durch die verschiedenen Wirklichkeiten zu folgen, und sich stark genug fühlt, der Depression zu widerstehen, sollte dieses Buch über die Selbstbefindlichkeit der Überlebenden von Auschwitz lesen. Leichter zu lesen und zu ertragen ist bei Kertész zum Thema Holokaust jedoch der pseudo-autobiografische Roman eines Schicksallosen.

[hrh 24.09.10]

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Imre Kertész, Liquidation

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Krasznahorkai, László

László Krasznahorkai studierte zunächst Jura, dann Sprachen und Literatur. Er lebte längere Zeit in Berlin und Kyoto und wurde mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Heute lebt und arbeitet Krasznahorkai als freier Schriftsteller in Ungarn. Seine Romane haben oft meditativen Charakter.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: László Krasznahorkai.

Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter László Krasznahorkai.

     

László Krasznahorkai, Seiobo auf Erden

Erzählungen, ungarischer Originaltitel: Seiobo járt odalent (Seiobo weilte dort unten [d.h. auf Erden]), gelesen auf Deutsch.

Seiobo ist der Name einer japanisch-chinesischen Göttin, die László Krasznahorkai seinem Buch als die Überbringerin alles Vollkommenen und Schönen zugrundelegt. Sie muss irgendwann einmal auf die Erde heruntergekommen sein, denn der Autor entdeckt an vielen Stellen der Erdkugel Elemente, Augenblicke und Geschehnisse, die von einer möglichen Vollkommenheit zeugen. Mal ist es das reglose Verharren des Reihers vor dem tödlichen Schnabelstoß auf sein Opfer, mal sind es die religiösen Zeremonien, die die Restaurierung einer Buddha-Statue umgeben, mal der Blick auf die Venus von Milo, mal ...

Der Autor umgarnt alle diese Vollkommenheiten mit einem dichten sprachlichen Geflecht, das dem Leser nur langsam den Zugang eröffnet und ihn auf diese Weise allmählich vorbereitet auf das, was er sehen wird. Zugleich hält jeder von Krasznohorkais langen Sätzen den Leser fest, entlässt ihn nur zögernd - oft nach mehreren Seiten - in den nächsten Satz. Ein abschließender Punkt ist eher selten; sehr oft lässt ein Semikolon den Gedanken in den nächsten Satz hinübergleiten.

Fazit: Wer dieses Buch lesen will, sollte bereit sein, sich in eine ästhetische und meditative Welt zu versenken, deren Wurzeln im fernen Osten liegen. Dann kann er/sie sehr schöne Momente mit dem Lesen verbringen. Das ist also keine Lektüre für Action-Freaks.

[hrh 05.12.11]

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László Krasznahorkai, Seiobo auf Erden

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Márai, Sándor

Sándor Márai (1900-1989) ist wohl der große ungarische Klassiker unter den Romanschriftstellern. Er begann in den 1920er Jahren als Feuilletonist und Übersetzer (vor allem aus dem Deutschen) in Deutschland und Frankreich. Seine großen Werke erschienen nach seiner Rückkehr nach Ungarn (ab 1928), wo er bald sehr populär wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg verhängten die Kommunisten ein Schreibverbot über ihn, weswegen er zunächst in die Schweiz, dann nach Italien (bei Neapel), schließlich (1957) in die USA ins Exil ging, wo er einen ungarischen Verleger für seine Bücher gefunden hatte. 1968 - 79 lebte Márai als amerikanischer Staatsbürger in Salerno (Italien), siedelte aber 1982 endgültig mit Frau und Adoptivsohn in die Vereinigten Staaten über. Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau und zwei Jahre nach dem Tod seines Adoptivsohns wählte Márai 1989 den Freitod.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: Sándor Márai.

Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter Sándor Márai.

     

Sándor Márai, Die Glut

Roman, ungarischer Originaltitel: A gyertyák csonkig égnek (Die Kerzen brennen bis auf den Stumpf herunter), gelesen auf Deutsch.

Ein junger Mann, Konrád, aus eher ärmlichen Verhältnissen, musikalisch begabt und erblich belastet (er ist mit Chopin verwandt), findet in einer reichen Familie mit militärischer Tradition ein zweites Zuhause und entwickelt mit dem gleichaltrigen Sohn des Hauses ein freundschaftliches, ja brüderliches Verhältnis. Dies hat zur Folge, dass beide auf die gleiche Militärakademie gehen und ihre Freundschaft auch dann weiter pflegen, als die junge Krisztina zu ihnen stößt. Der reiche junge Mann heiratet schließlich Krisztina, aber nach einer Weile geschieht irgendetwas, was das Verhältnis zwischen den Männern platzen lässt. Konrád verschwindet von der Bildfläche, und Krisztina stirbt acht Jahre später im Haus ihres Mannes.

All dies erfährt der Leser aber erst durch eine Situation 41 Jahre nach Konráds Verschwinden, als dieser plötzlich wieder auftaucht und von seinem inzwischen zum General gewordenen Freund von damals empfangen wird. Die STunde der Erklärung und der Rache ist gekommen, wie der General selber sagt.

Nach den üblichen Höflichkeiten setzen sich die beiden Männer in das Zimmer, in dem sie 41 Jahre zuvor mit Krisztina zum letzten Mal zusammen waren. Der General hat alles so herrichten lassen wie damals. Da ein heftiges Gewitter die Elektrizität lahmlegt, erhellen nur noch Kerzen den Raum, und sie werden ganz herunterbrennen, bis die Abrechnung im Morgengrauen vollbracht ist.

Márai schreibt keine Kriminalromane, und das äußere Geschehen interessiert ihn genauso wenig wie den General, mit dem man den Autor durchaus vergleichen kann. Die Rache geschieht durch einen langen Monolog des Generals, der immer nur kurz durch Rückfragen unterbrochen wird und eine detaillierte Analyse der menschlichen Probleme bringt, die zu dem führten, was der General als ein unausweichliches Unglück für alle drei Beteiligten ansieht. Und am Ende sind sich Opfer und Täter (wer ist wer?) einig...

Titel: Der ungarische Originaltitel spielt auf die Schlussszene des Buches an, in der während des die ganze Nacht dauernden Gesprächs, das hauptsächlich als Monolog geführt wird, die Kerzen tatsächlich ganz herunterbrennen. Der deutsche Titel dagegen spricht einerseits von der inneren Glut, die sich 41 Jahre lang selbst am Leben gehalten hat, und andererseits von der Glut des Kamins, die in der Schlussszene eine wichtige Rolle spielt.

Fazit: Der Roman ist nichts für Action-Freaks. Der gewiss kunstvoll orchestrierte Monolog des Generals braucht geduldige Leser (auch Leserinnen?), die bereit sind, sich mit fundamentalen Fragen von (Männer-)Freundschaft, Liebe, Einsamkeit und Alter auseinanderzusetzen. Wer Márais anderen großen Monolog, in Vendégjáték Bolzanóban (auf Deutsch Die Gräfin von Parma, z.B. bei amazon.de/at, Besprechung der französischen Ausgabe siehe La Conversation à Bolzano) gelesen und genossen hat, wird auch dieses kleine Buch mögen.

[hrh 12.05.10]

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Sándor Márai, Die Glut

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Sándor Márai, Das Wunder des San Gennaro

Roman, ungarischer Originaltitel: San Gennaro vére (Das Blut des San Gennaro), gelesen auf Deutsch.

Dieser Roman aus dem Nachlass Sándor Márais ist gespalten wie das Herz eines Ungarn im Exil. Zwei Erzählstränge stehen in ständiger Konkurrenz zueinander, wobei der erste, die Schilderung des harten Lebens der armen Leute in der wunderbaren Landschaft bei Neapel, zunächst den ganzen Raum einnimmt und ganz allmählich vom zweiten, der wirren Welterlöserkarriere eines fremden Asylanten, verdrängt wird.

Der erste Erzählstrang versetzt den Leser in ein authentisches italienisches Ambiente, in dem der Italienliebhaber trotz des zeitlichen Abstands unschwer vieles wiederentdecken wird, das er aus der Nähe erlebt und lieben, beschmunzeln oder auch bedauern gelernt hat: die Landschaft, das Meer, der Himmel, die Leute mit ihren Schwächen und Stärken, die Armut, die Hoffnungslosigkeit, der Wunderglaube, das Leben trotz allem. Viele dieser Kapitel sind wahre Kabinettstückchen von großer Intensität.

Der zweite Erzählstrang bringt eine andere Hoffnungslosigkeit, die des Asylbewerbers (schon damals!): der Verlust der Heimat, aller Besitztümer, alles Erreichten, aller persönlichen Würde. Willkürliche und lebensfremde Abschiebungen, Ausgeliefertsein an fremde Bürohengste. Sich im Kreis drehende Gedanken auf der Suche nach einem - unmöglichen - Ausweg. Und dann auch hier nur noch die Hoffnung auf ein Wunder.

Das Wunder des San Gennaro (sein geronnenes Blut wird zweimal im Jahr zum Aufwallen gebracht, siehe hierzu die dt. Wikipedia unter San Gennaro) ist das einzige Wunder, das in diesem Roman wirklich geschieht, ein professionell vorbereitetes und vorgeführtes Wunder - also keines. Da hilft nur noch die Erlösung der Welt durch die Opferung des eigenen Lebens...

Die deutsche Übersetzung von Tibor Simányi liest sich insgesamt gut und ist Sándor Márais Stil angemessen. Über einige Stolpersteine, die von einer zu großen Nähe zum Ungarischen bzw. zum Italienischen kommen, kann man hinwegsehen. Problematisch sind allerdings solche Eindeutschungen wie „Agent” für einen Polizisten, weil man da im Deutschen wirklich an das Falsche denkt. Ob es auch auf das Konto des Übersetzers geht, dass es in Afrika einen Dschungel, Tiger und Pumas geben soll, müsste man am Original nachprüfen. Wenn Sie darüber etwas wissen, schreiben Sie uns bitte! Vielen Dank im Voraus!

Fazit: Dieses Buch ist etwas für Italienliebhaber und Grübler, am besten grüblerische Italienliebhaber. Action-Freaks genau wie depressiven Personen würde ich abraten, denn der Weg zur angeblichen Welterlösung ist mit vielen schweren Gedanken, Überlegungen, Grübeleien und viel Schweigen gepflastert, auch für den Leser des Buches.

[hrh 26.05.09]

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Sándor Márai, Das Wunder des San Gennaro

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Sándor Márai, Die Fremde

Roman, ungarischer Originaltitel: A sziget (Die Insel), gelesen auf Deutsch.

Der begüterte und gut in den Wissenschaftsbetrieb seiner französischen Universität integrierte, nicht mehr ganz junge Viktor Henrik Askenasi (dessen geschriebener Name den einander widerstrebenden Anforderungen der ungarischen, der französischen und vielleicht sogar der deutschen Sprache zu entspringen scheint) begegnet eines Tages auf dem Nachhauseweg einer ihm fremden und nicht besonders gefallenden Frau, die einen schweren Koffer schleppt. Er nimmt ihr die Last ab, begleitet sie nachhause, wird ihr Liebhaber, trennt sich von seiner langjährigen Ehefrau, und von da an gerät sein ganzes Leben aus den Fugen.

Auf der Suche nach Abstand und nach Antwort auf die Frage, was denn Liebe sei, begibt sich Askenasi auf Reisen, visiert eine griechische Insel als eng umgrenzten Raum zum Nachdenken an, kommt aber nur bis zur dalmatinischen Küste. In der dekadenten Atmosphäre eines heruntergekommenen Luxushotels (die mich mehr als einmal an Thomas Manns Zauberberg erinnerte) kochen Askenasis psychische Probleme ganz allmählich hoch, bis es zum fatalen Befreiungsakt kommt...

Aufbau: Der Roman gliedert sich sicher nicht zufällig in fünf Kapitel, die leicht als die fünf Akte des klassischen Dramas zu verstehen sind, die auf den römischen Schriftsteller Horaz zurückgehen. Näheres siehe dt. Wikipedia unter Regeldrama und Horaz.

Titel: Dieses Buch stellt einen der seltenen Fälle dar, bei denen mir der Titel der deutschen Ausgabe fast besser gefällt als derjenige des ungarischen Originals. Aber für beide Fassungen gibt es gute Argumente: Das angestrebte Reiseziel des tragischen Helden des Romans ist eine griechische Insel. Solange er diese nicht erreicht, lebt er an der dalmatinischen Küste wie auf einer gesellschaftlichen Insel, und er beendet schließlich sein bürgerliches Leben auf einer kleinen dort vorgelagerten Insel. Der deutsche Titel spielt mit dem Wort „Fremde”, das einerseits die fremde Frau meinen kann, die unseren Helden aus dem Gleis warf, andererseits aber auch die fremden Länder, in denen er endlich Ruhe finden will, und letztlich die Fremdheit, die ihm von überall entgegenschlägt.

Die deutsche Übersetzung von Heinrich Eisterer liest sich gut und ist Sándor Márais, Thomas Mann nahestehendem Stil angemessen.

Fazit: Wer Autoren wie Thomas Mann, Robert Musil oder János Székely mag, wird auch diesen Roman mögen. Actionfreaks würde ich abraten.

[hrh 21.04.09]

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Sándor Márai, Die Fremde

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Sándor Márai, Das Vermächtnis der Eszter

Roman, ungarischer Originaltitel: Eszter hagyatéka (Eszters Vermächtnis), gelesen auf Deutsch.

Nach der Katastrophe, die ihre ganze Familie ruiniert hat, erzählt die nicht mehr ganz junge Eszter, wie es zu dieser Katastrophe gekommen ist. Sie erzählt recht sachlich und legt Wert darauf, zu zeigen, dass das alles seine innere Ordnung und Gesetzmäßigkeit hatte.

Kurz zusammengefasst: Die junge Eszter hatte sich in Lajos verliebt, einen chamanten Windhund mit Gauklereigenschaften, der notorisch das Blaue vom Himmel log, jedermann betrog, viele Leute mit gefälschten Wechseln ruinierte, aber Eszter große Versprechungen machte, bis er plötzlich ihre Schwester Vilma heiratete. Er bekam zwei Kinder von Vilma, doch diese starb, als die Kinder noch klein waren. Das brachte Eszter einen kurzen neuen Kontakt mit Lajos, da sie die Kinder übernahm, solange er seine angebliche Trauer in einer Reise mit rechten Gaunerstückchen verarbeitete. Kurz bevor er zurückkam, fuhr Eszter wieder heim, und dann kam die große Sendepause zwischen den beiden.

Dann, zwanzig Jahre nach seiner Heirat mit Vilma, kündigt sich Lajos mit großem Gefolge zu Besuch an, und alle wissen, dass er jetzt die Familie endgültig ruinieren will. Und so kommt es dann auch. Nicht mit Gewalt, sondern mit seiner unglaublichen Redegewandheit und Abgebrühtheit.

Natürlich ist der Roman viel vielschichtiger, als das eine kurze Inhaltsangabe zeigen kann, denn Eszters Schicksal ist auch mit dem mehrerer anderer Personen verbunden, die ihr Leben lang immer wieder Rettungsaktionen für Eszters Familie gegen Lajos unternehmen müssen, ohne je den gerechten Dank dafür zu bekommen.

Das Aufregendste an diesem Roman liegt in Marais Kunst des dramatischen Dialogs, der in fein ziselierter psychologischer Argumentation in die unabwendbare Katastrophe führt. Obwohl schon 1939 erschienen, kann man das Buch auch heute noch mit großem literarischem Genuss lesen.

Es liegen weitere Leseberichte für Sándor Márai in französischer Sprache vor, darunter auch derjenige über Die Gräfin von Parma (La Conversation à Bolzano), wo der gealterte Giacomo Casanova in einem hochdramatischen Wortgefecht mit seiner wichtigsten früheren Eroberung konfrontiert wird - und scheitert. An diesen Roman wurde ich beim Lesen von Eszters Vermächtnis immer wieder erinnert. Siehe hierzu Littérature hongroise.

Die deutsche Übersetzung von Christina Viragh liest sich gut, bis auf ein paar merkwürdige Ausdrücke, über die man hinweglesen kann. Am störendsten ist wohl ein Hungarismus gegen Ende des Buches, wo Eszters Vertraute Nunu mitteilt, dass Lajos bei seiner Abreise so ziemlich alles hat mitgehen lassen, sogar „den Apfel“. Das ungarische „az almát“ muss hier aber mit „die Äpfel“ übersetzt werden, denn Lajos hat sie alle mitgehen lassen. Es ist eine Eigenheit des Ungarischen, dass zusammengehörende oder eine Menge bildende Dinge in der Einzahl stehen. Im Deutschen braucht man aber die Mehrzahl, um den Satz zu verstehen.

[hrh 18.04.08]

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Sándor Márai, Das Vermächtnis der Eszter

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Parti Nagy, Lajos

Lajos Parti Nagy ist 1953 geboren und sowohl in Lyrik als auch in Prosa tätig. Neben Gedichten hat er Erzählungen, Romane, Hörspiele und Dramen geschrieben.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: Lajos Parti Nagy.

Mehr über den Autor bietet (in sehr begrenztem Maße, aber mit interessanten Links) die dt. Wikipedia unter Lajos Parti Nagy oder (viel umfangreicher) die ungar. Wikipedia unter Parti Nagy Lajos. Die engl. und die frz. Wikipedia kennen den Autor derzeit (Febr. 2011) noch gar nicht.

     

Lajos Parti Nagy, Meines Helden Platz

Roman, ungarischer Originaltitel: Hösöm tere (gleichbedeutend mit dem dt. Titel), gelesen auf Deutsch in der Übersetzung von Terézia Mora.

Budapest 1999. Alles deutet darauf hin, dass die Weltherrschaft von der sogenannten „lebenspalomistischen Bewegung“, einer vor keiner Gräueltat zurückschreckenden faschistischen Bewegung der Taubenschaft, übernommen worden ist. Der Ich-Erzähler sitzt vor seinem unfertigen Buchmanuskript und weiß nicht weiter. Doch die Zeit drängt, denn die neuen Herrscher fordern die Vollendung des Werks in wenigen Stunden. Bei Nichtablieferung droht die Todesstrafe. Das Buch oder der Fahrstuhlschacht! Oder die Pistole! Doch die Sache hat einen Haken: Der Autor soll Aussagen über den Helden einer von ihm geschriebenen Geschichte machen, der von den Kulturbanausen der Palomisten als reale Person angesehen wird. Und seit einiger Zeit schreibt dieser Held dem Autor E-Mails, in denen er ihm seine verzweifelte Lage in den Händen der Bewegung schildert. Was läuft da? Wo ist er (wo ist sein Platz)? Mein Leben gegen seines? Die Geschichte des Helden wird immer mehr zur Geschichte des Autors (Ich-Erzählers), und die Palomisten beuten das gnadenlos aus. Und als dann auch noch die Frau des Oberrassenvizepräsidenten den Helden anmacht und mit ihm fliehen will...

Fazit: Ausgerechnet einen Aufstand der kleinen und angeblich friedlichen Tauben und ihr Abtriften in eine Art Nazi-Organisation in Szene zu setzen, ist schon aus biologischen Gründen ein ungeheures Wagnis, das Parti Nagy aber mit Bravour meistert. Er spielt sogar augenzwinkernd diesseits und jenseits der Plausibilität mit den Rassenunterschieden, verliert aber dabei die politische und gesellschaftliche Satire nie aus dem Auge. Das Hereinholen des erfundenen Helden in die Lebenswirklichkeit des Ich-Erzählers ist spannend und absolut lesenswert!

Hintergrund: Wenn im Roman die Budapester Angst davor haben, in die Nähe der Donau zu gelangen, weil dort „Wasserspiele“ stattfinden, ist das ein diskreter, aber klarer Hinweis auf das Massaker, das die ungarischen Nazis während des Zweiten Weltkriegs dort begangen haben (siehe Nur noch Schuhe). Auch die heillosen medizinischen Experimente der Palomisten an Menschen zeigen in die Nazi-Zeit zurück, - sind aber auch ein Seitenhieb auf die unmenschlichen Tierversuche der modernen Pharma-Industrie. Das Markenzeichen der Palomisten ist das Krallenkreuz, das der ungarischen Nazis war das Pfeilkreuz. Und die heutige Jobbik-Partei, die im ungarischen Parlament sitzt und stänkert, knüpft an diese Tradition an. Der Roman ist im Jahr 2000 erschienen. Hat Parti Nagy da bereits seine Landsleute warnen wollen?

Querverweis: Die im Fantastischen angesiedelte, aber realistisch ausgestaltete Satire dieses ungarischen Autors lässt einen natürlich sofort an Michail E. Saltikow-Schtschedrin denken, der nur durch fantastische Übertreibung die zaristische Zensur übertölpeln konnte. Sind wir in Ungarn auch schon wieder soweit? Das neueste Presse(zensur)gesetz des Präsidenten Orbán lässt Schlimmes befürchten.

Der ungarische Titel nutzt genial die Möglichkeiten der ungarischen Sprache, indem er durch die Veränderung eines einzigen Buchstabens von dem für die Romanhandlung wichtigen Budapester Heldenplatz (Hösök tere) zu dem existenziellen Problem des ich-erzählenden Autors führt, der sich ständig fragen muss: Wo ist der Platz meines Helden (Hösöm tere)?

Die Übersetzung von Terézia Mora ist eine Meisterleistung, die bereits beim Titel beginnt. Statt (richtig, aber banal) mit „Der Platz meines Helden“: zu übersetzen, lässt Terézia Mora die Sprachspielerei des ungarischen Titels auch in den deutschen Sprachstrukturen anklingen (Heldenplatz => Helden Platz). Der Originaltext des Romans ist anscheinend in einer Sprache geschrieben, die alle Höhen und (Un-)Tiefen des Ungarischen fiktiv im Sinn der „lebenspalomistischen Bewegung“ und ihrer keinesfalls sprachzimperlichen Führer weiterentwickelt, und Terézia Mora hat es geschafft, all dies in ein ebenso weiterentwickeltes und aus vielen seiner Dialekte schöpfendes Deutsch zu übertragen. Hut ab!

[hrh 04.02.11]

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Lajos Parti Nagy, Meines Helden Platz

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Székely, János

János Székely (1901-1958) wurde zunächst als Dichter bekannt, dann als Drehbuchautor für das deutsche expressionistische Kino. Er ging dann nach Hollywood, kehrte aber nach 20 Jahren (1956) wieder nach Deutschland zurück und bemühte sich um die Genehmigung, in sein Heimatland zurückzukehren. Er starb jedoch, bevor er nachhause zurückkehren durfte. Sein großer Durchbruch als Schriftsteller war der Roman Verlockung.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: János Székely.

Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter János Székely.

     

János Székely, Verlockung

Roman, ungarischer Originaltitel: Kísértés (Verlockung), gelesen auf Französisch in der Übersetzung von Sylvie Viollis aus dem Englischen (frz. Titel: Un enfant du Danube [Ein Kind der Donau]. Die deutsche Fassung wurde von Ita Szent-Iványi übersetzt.

Der Roman gibt sich als Autobiografie des 1913 (also 12 Jahre nach Székely) geborenen Ungarn Béla, der zunächst eine Kindheit ohne Eltern in äußerste Armut und in der „Obhut“ einer Prostituierten auf dem Lande verbringt, dann als Jugendlicher von den Behörden zu seiner ledigen Mutter in noch größere Armut nach Budapest abgeschoben wird, unter kaum vorstellbaren Umständen überlebt und schließlich versucht, sich aus den Fängen der ungarischen Faschisten durch Flucht nach Amerika zu retten.

Dieser kurze Abriss des Handlungsgerüsts lässt nicht erahnen, welchen Reichtum an packend erzählten Episoden und Einblicken in das gesellschaftliche Leben der Ungarn zwischen den Kriegen dieser Roman bietet. Der Leser leidet mit dem Ich-Erzähler bis zum bitter hoffnungsvollen Ende. Aus den Geschehnissen in Ungarn ergeben sich auch viele Rückschlüsse auf das, was damals in anderen europäischen Ländern, vor allem in Deutschland, geschah.

Natürlich hat Székely viele autobiografische Elemente in seinen Roman eingewebt, doch bleibt immer die nötige Distanz zwischen Autor und Hauptfigur und eine gekonnte Ästhetik der literarischen Fiktion. Beeindruckend fand ich die kunstvolle Art der Verquickung der Einzelepisoden sowie Székelys feinfühlige und quasi absichtslos wirkende Art, heikle Themen nur genau bis zu dem Punkt in Worte zu fassen, ab dem er das Weiterdenken getrost dem Leser überlassen kann.

Dieser Roman gehört meines Erachtens zum literarischen Kulturerbe der Menschheit. Wer ihn nicht liest, verpasst etwas.

Die im Titel genannte Verlockung ist äußerst vielschichtig. Sie geht von den sich stets wandelnden und nicht zu beherrschenden sexuellen Verlockungen des jungen Béla über eine Menge Zwischenstufen bis zur politischen Verlockung, der die gesamte ungarische Gesellschaft schließlich zum Opfer fällt.

Die Publikations- und Übersetzungsgeschichte des Romans ist nach dem Vorwort der französischen Ausgabe so bewegt wie das Leben seines Autors. János Székely schrieb ihn zwar auf Ungarisch, publizierte ihn aber zunächst (1946) - wie auch andere Werke - unter seinem amerikanischen Pseudonym John Pen auf Englisch. Eine ungarische Veröffentlichung in Budapest (1948) wurde vom kommunistischen Regime verboten, weil der Roman ja von einem amerikanischen Autor zu stammen schien. Mittlerweile entstanden unter dem Pseudonym mehrere Übersetzungen aus dem Englischen in europäische Sprachen, überall außer in Frankreich mit wörtlicher Übersetzung des Titels. Erst nach Székelys Tod kam es zu ungarischen Ausgaben unter dem wahren Namen des Autors.

[hrh 16.07.08]

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János Székely, Verlockung

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Szerb, Antal

Antal Szerb, geboren 1901, war Hungarologe, Germanist und Anglist sowie ab 1937 Literaturprofessor in Szeged. Von den Nazis wegen seiner jüdischen Abstammung interniert, wurde er 1945 von einem Aufseher des KZ Balf erschlagen. Neben Romanen schrieb er eine bedeutende Geschichte der ungarischen Literatur und eine Geschichte der Weltliteratur.

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Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter Antal Szerb.

     

Antal Szerb, In der Bibliothek

Sammlung von Kurzgeschichten, ungarischer Originaltitel: Szerelem a palackban (Liebe in der Flasche), gelesen auf Deutsch. Der deutsche Titel greift den Titel einer der in dem Buch angebotenen Kurzgeschichten auf.

Das Buch enthält einerseits acht witzige Geschichten aus dem chaotischen Liebesleben eines Ich-Erzählers, und andererseits sechs historisierende Geschichten, deren Inhalt auf mittelalterliche Überlieferungen und Vorbilder zurückgeht. Dies ist eine vielleicht problematische Mischung, denn wer nur am ironisch präsentierten Liebeschaos interessiert ist, muss das Mittelalter mitkaufen, und umgekehrt. Da mir beides gefiel, habe ich das ganze Buch mit Genuss gelesen.

[hrh 09.10.07]

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Antal Szerb, In der Bibliothek

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Antal Szerb, Oliver VII.

Roman, ungarischer Originaltitel: VII. Oliver (gleichbedeutend mit dem dt. Titel), gelesen auf Deutsch.

Dieser Roman könnte der „historischen“ Abteilung von Szerbs Buch In der Bibliothek entsprungen sein, z.B. des größeren Umfangs wegen. Dabei tut er nur so, als ob er einen historischen Inhalt präsentierte. In Wirklichkeit ist er irgendwo zwischen Schelmenroman und historisierendem Märchen anzusiedeln.

Der siebte Oliver, wie man auf Ungarisch sagt, regiert über das arme Land Alturien, das zwar Züge eines Operettenstaates trägt, aber sich mit äußerst realen Wirtschaftsproblemen herumschlagen und die erdrückende Geschäftstüchtigkeit seiner nördlichen Nachbarn in Norland (wie könnte es sonst heißen?) verteidigen muss. Schließlich bleibt nichts anderes übrig, als einen norländischen Heirats- und Knebelvertrag anzunehmen, um die Finanzkrise zu meistern. Jedenfalls offiziell.

Doch so leicht gibt der kleine und regierungsmüde, aber lernfähige König nicht auf. Er wählt zur Rettung des Landes und seiner eigenen Person einen von Alturiern und Norländern nicht erwarteten Umweg über das „wirkliche“ Leben mit seinen Nöten, Reichtümern und Menschlichkeiten sowie einer Bande von Gaunern, die zwar all diese Dinge zu ihren Zwecken ausnützen können, aber den gleichen Gesetzen des Lebens unterworfen sind und letztlich immer leer ausgehen.

Nach einer rührenden Liebesgeschichte, die natürlich auch ins nahe Venedig führt, aber sich den Fettnäpfen des Kitschs standhaft verweigert, lösen sich die Knoten der Intrige. Das Ende ist märchenhaft, aber nicht ohne menschliche Tragik.

Fazit: eine nette, nicht zu lange, menschlich rührende Geschichte für Zeiten, in denen man entspannt vom Tagesgeschäft ausspannen will.

Die deutsche Übersetzung von Ita Szent-Iványi liest sich gut und gibt mit ihrem leicht antiquierten Touch sehr schön die Atmosphäre des Romans wieder.

[hrh 26.03.08]

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Antal Szerb, Reise im Mondlicht

Roman, ungarischer Originaltitel: Utas és holdvilág (Reisender und Mondschein), gelesen auf Deutsch.

Die verheiratete Erzsébet (Erzsi) war Mihálys Geliebte, ließ sich dann aber scheiden und heiratete Mihály. Nun sind sie frisch verheiratet und fahren mit dem Zug auf Hochzeitsreise nach Italien. Das hätten sie besser nicht getan. Durch einen verrückten Zufall findet sich Mihály im fremden Land allein auf dem Bahnsteig wieder, während seine Frau mit dem Gepäck im selben Zug weiterfährt. Dieses Ereignis bringt eine Lawine sich überkreuzender Ereignisse ins Rollen, bei denen alle Verwandten, Bekannten und Jugendfreunde in wechselnden Rollen mitspielen. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Aber ist es wirklich eine kommende Katastrophe? Die eigentliche Katastrophe liegt nämlich in der Vergangenheit und ihren psychischen Folgen...

Fazit: Die von Péter Esterházy in seinem Nachwort beschworene Vielschichtigkeit dieses Romans warf für mich beim Lesen ständig neue Fragen auf, die man in einer einzigen zusammenfassen kann: In was für einem Roman bin ich denn da? Tatsächlich verbindet Antal Szerb in diesem seinem Werk Elemente des Bildungsromans, des Schelmenromans, des Reiseromans, des Abenteuerromans, des psychologischen Romans, des Liebesromans, der Schauerromantik... Und all das wird locker leicht abgehandelt in einem Stil, der nirgends aneckt, niemals holpert und für mein Empfinden manchmal eher etwas zu überfliegerisch für den Inhalt des Buches ist. Auch wirkt das sehr enge Geflecht immer wieder neuer „zufälliger“ Begegnungen aller Personen, in verschiedenen Kombinationen und über die drei Länder Ungarn, Italien und Frankreich verteilt, etwas konstruiert.

Das Buch ist m.E. ein auch heute noch gut lesbares Kind seiner Zeit (1937), wird aber nicht jeden vom Hocker reißen. Heute würde man einen ähnlichen Inhalt in einen packenderen Stil schnüren. Aber eine nette Reiselektüre mit psychologischem Tiefgang ist der Roman allemal.

Die deutsche Übersetzung von Christina Viragh liest sich gut und passt zur Atmosphäre des Romans, obwohl mir an einigen Stellen die lexikalische und syntaktische Nähe zum Ungarischen bzw. zum Italienischen etwas gewagt vorkam.

[hrh 03.06.09]

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Antal Szerb, Reise im Mondlicht

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Vámos, Miklós

Miklós Vámos (geboren 1950) ist promovierter ungarischer Jurist sowie preisgekrönter Schriftsteller und Dramaturg (József Attila-díj / József-Attila-Preis 1984). Vor der (in Ungarn „Systemwechsel“ genannten) Wende war er 13 Jahre lang Redakteur der literarischen Wochenschrift Élet és Irodalom (Leben und Literatur), von der übrigens der 2009 verstorbene Exilungar Georg Kövary in Ein Ungar kommt selten allein berichtet, dass die Ungarn am Kiosk immer nur „És“ (Und) verlangten, weil das das einzige wahre Wort im Titel der Zeitschrift war... Ohne faule Kompromisse konnte damals wohl kein Literat beruflich überleben.

Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter Miklós Vámos.

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Web-Auftritt des Autors: www.vamosmiklos.hu (in mehreren Sprachen mit nicht immer gleichem Inhalt).

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Miklós Vámos, Buch der Väter

Roman, ungarischer Originaltitel: Apák könyve (gleichbedeutend mit dem dt. Titel), gelesen auf Deutsch.

In einer packenden Saga folgt der Autor über einen Zeitraum von 300 Jahren (von einer Sonnenfinsternis zur nächsten) dem bewegten Leben und Sterben der Mitglieder einer Familie, die für Ungarn typisch sein könnte: unklare Herkunft, wechselnde Religionszugehörigkeit, Bürgerkriegsopfer, ethnische und sprachliche Vielfalt, ja wechselnder Familienname, immer wieder Exil, Dezimierung durch die Nazis und schwieriger Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg, dann Leiden unter dem Kommunismus bis zu dessen Untergang. Und dann?

Jedes der zwölf Kapitel des Buches erzählt die Geschichte einer Generation der Familie anhand eines ihrer Mitglieder und folgt dabei der Reihe der Tierkreiszeichen, so dass der Held immer die dem betreffenden Zeichen zugeordneten Haupteigenschaften besitzt. (Außerdem hat sein Name den gleichen Anfangsbuchstaben wie sein Tierkreiszeichen; aber das gilt nur für die ungarische Ausgabe des Romans.)

Die Generationen werden zusammengehalten durch eine besondere Fähigkeit der Erstgeborenen der Familie. Sie können nämlich in Bildern weit in die Vergangenheit (und manchmal auch etwas in die Zukunft) sehen. Und dann gibt es noch das „Buch der Väter“, eine Art Familientagebuch, in das der Erstgeborene einer Generation alle ihm wichtig erscheinenden Ereignisse einträgt. Dass dieses Buch in den modernen Zeiten dann die Form einer Computerdatei annehmen wird, versteht sich von selbst...

Fazit: Mir hat diese drei Jahrhunderte übergreifende Familiensaga mit ihren schriftstellerischen Experimenten und dem dennoch eher gediegenen Stil außerordentlich gefallen.

Die Übersetzung von Ernő Zeltner bringt es fertig, den sprachlichen Wandlungen des Originals vom Ungarischen des 17. Jahrhunderts bis zum modernen Jugend-Slang treu zu folgen, und das mit einer charmanten österreichischen Note. Wichtige historische Persönlichkeiten und Ereignisse, die im Buch nur kurz erwähnt werden, finden ihre Erklärung in dem Buch angehängten Anmerkungen. Leider lässt Zeltner aber des Lateinischen unkundige Leser meist im Regen stehen. Daher gebe ich hier eine persönliche Übersetzung der wichtigstens lateinischen Ausdrücke des Romans (in alphabetischer Reihenfolge).

alta pace

in aller Ruhe

Audi, vide, tace, si vis vivere in pace.

Höre, sehe und schweige, wenn du in Frieden leben willst.

Carpe diem!

Ergreife den Tag! Nütze die Gelegenheit!

circiter

in etwa, ungefähr

Da nobis Domine pacem!

Herr, gib uns Frieden!

denique

schließlich, endlich

Deus mundum gubernat.

Gott regiert die Welt.

Dictum, factum, punctum!

Gesagt, getan, Punkt!

Fiat voluntas tua, Domine.

Es geschehe dein Wille, o Herr.

Iustus es, Domine, et iusta sunt iudicia tua.

Gerecht bist du, o Herr, und gerecht sind deine Urteile.

Nemo ante mortem beatus.

Niemand ist vor seinem Tod selig.

omnis dies

jeder Tag

per amorem Dei

um der Liebe Gottes willen

stante pede

stehenden Fußes, sofort

usque

bis zu

vice versa

umgekehrt

viribus unitis

mit vereinten Kräften

[hrh 08.01.11]

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Miklós Vámos, Buch der Väter

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Zsolt, Béla

Béla Zsolt (1895 - 1949) war ein ungarischer Journalist, Publizist und Romanschriftsteller.

Mehr über den Autor bietet die dt. Wikipedia unter Béla Zsolt.

Zur Werkübersicht bei amazon.de/at: Béla Zsolt.

Béla Zsolts Buch Neun Koffer (ungarisch: Kilenc koffer) ist ein großenteils autobiografischer Bericht von seinen Erlebnissen während der Nazi-Zeit und wird daher unter (Auto-)Biografien & Erinnerungen besprochen.

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Anthologien

     

Modern magyar novellák / Moderne ungarische Erzählungen

Zweisprachige Sammlung moderner ungarischer Erzählungen, ausgewählt und ins Deutsche übersetzt von Christina Kunze.

Autoren: Frigyes Karinthy, Ernö Szép, Lajos Nagy, Lajos Kassák, Imre Sarkadi, Tibor Déry, István Örkény, Erzsébet Galgóczi, Miklós Mészöly, Sándor Tar, Miklós Szentkuthy und Áron Tamási.

Die Erzählungen sind witzig, unterhaltsam und nicht zu lang, was für ungarischlernende LeserInnen wichtig ist. Da der Originaltext und seine Übersetzung einander immer gegenüberstehen, kann man leicht je nach Bedarf zwischen Original und Übersetzung hin- und herspringen und so die dem Lernfortschritt entsprechende Dosierung der Fremdsprachenlektüre finden.

Feste Einstiegsvoraussetzungen für eine solche Lektüre kann man kaum bestimmen; man hat jedoch sicher mehr Freude am Originaltext, wenn man die wichtigsten Grundlagen der ungarischen Grammatik gelernt, also etwa 6 - 8 Volkshochschulsemester Ungarisch hinter sich hat. Dann bleibt zwar immer noch das Problem des Wortschatzes, aber da hilft einem die zweisprachige Ausgabe sehr gut weiter.

[hrh 05.04.08]

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Internet

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Magyar Elektronikus Könyvtár

OSzK Elektronikus Dokumentum Központ - Budapest

Umfangreiche elektronische Bibliothek für ungarische Original-Literatur, auch mit Sekundärliteratur zu Leben und Werk der AutorInnen sowie zur ungarischen Geschichte und Literaturgeschichte, dazu Lexika, Landkarten, grafische Werke, Noten, Liedertexte, Wörterbücher (ungarische Benutzeroberfläche).

Lesehilfe:

Da ich mich selbst auch erst durch die rein ungarische Benutzeroberfläche dieser Bibliothek durchkämpfen musste, um zu ihrer substantifique moëlle (Rabelais) zu gelangen, habe ich mir ein eigenes Vokabular dafür aufgebaut. Und da ich nicht gern nur für mich selbst arbeite, stelle ich dieses Vokabular allen Interessierten zur Verfügung unter Magyar Elektronikus Könyvtár - Wortschatz der Benutzeroberfläche (PDF rd. 92 kB).

József Attila

bei Kerstin Szanyi

Originaltexte und deutsche Übersetzung von Gedichten von József Attila.

     

Bild: Hundi lebt

Hans-Rudolf Hower 2005

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Häufige Fragen - Webmaster

Letzte Aktualisierung: 05.04.16